Kann die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau als Mit-Elternteil in das Geburtenregister eingetragen werden?
BGH, Beschluss vom 10.10.2018, XII ZB 232/18
Aus dem Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 2 begehrt die Eintragung ihrer Mitmutterschaft für das von ihrer Ehefrau geborene Kind in das Geburtenregister.
Die Beteiligten zu 1 (Kindesmutter) und zu 2 (im Folgenden: Antragstellerin) lebten seit Mai 2014 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und schlossen am 12. Oktober 2017 durch Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft die Ehe. Am 3. November 2017 gebar die Beteiligte zu 1 das betroffene Kind, das aufgrund gemeinsamen Entschlusses mit der Antragstellerin und durch medizinisch assistierte künstliche Befruchtung mit Spendersamen einer Samenbank gezeugt wurde. Im Geburtenregister wurde sie als Mutter eingetragen; die Eintragung eines weiteren Elternteils erfolgte nicht.
Die Antragstellerin hat beim Standesamt beantragt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass sie als weitere Mutter aufgeführt werde, weil das Kind in der Ehe geboren sei. Das Standesamt hat es abgelehnt, diese Eintragung vorzunehmen. Auf entsprechenden Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht den Standesbeamten angewiesen, sie „als weiteres Elternteil bzw. als weitere Mutter“ einzutragen. Auf die hiergegen vom Standesamt und der Standesamtsaufsicht eingelegten Beschwerden hat das Oberlandesgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Antrag auf Anweisung zur Berichtigung zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht.
Aus den Gründen:
Vorliegend war die Rechtsbeschwerde zwar zulässig, jedoch unbegründet, da das Personenstandsregister nicht unrichtig war:
(…) „Das Geburtenregister ist nicht unrichtig im Sinne des § 48 PStG, weil die Antragstellerin nicht rechtlicher Elternteil des betroffenen Kindes ist. Ihre Elternstellung ergibt sich insbesondere nicht in entsprechender Anwendung von § 1592 Nr. 1 BGB daraus, dass sie zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war.
Mutter des Kindes ist nach § 1591 BGB die Frau, die das Kind geboren hat, mithin vorliegend die Beteiligte zu 1. Das deutsche bürgerliche Recht kennt nur die Zuordnung einer einzigen Mutter kraft Gesetzes. Damit hat der Gesetzgeber andere mögliche Formen der abstammungsrechtlichen Mutter-Kind-Zuordnung, insbesondere die Mutterschaft der Eizellenspenderin im Fall der Leihmutterschaft, bewusst ausgeschlossen. Eine Mutterschaftsanerkennung sieht das geltende Recht nicht vor. Weitere Formen der Entstehung einer beiderseits weiblichen Elternschaft kraft Abstammung, etwa die Mit- oder Co- Mutterschaft bei konsentierter heterologer Insemination, sind im deutschen Recht ebenfalls nicht vorgesehen (…).“
Somit kam es entscheidend darauf an, ob die Vorschrift des § 1592 S. 1 BGB, nach welcher Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, vorliegend anzuwenden war. Eine direkte Anwendbarkeit hat der Bundesgerichtshof verneint:
„Die mangels erfolgter Annahme als Kind (§§ 1741 ff. BGB) daher allein in Betracht zu ziehende Elternstellung der Antragstellerin gemäß oder entsprechend § 1592 BGB scheidet aus, weil diese Vorschrift weder unmittelbar noch analog auf die Antragstellerin als Ehefrau der Kindesmutter anwendbar ist.
Die direkte Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB kommt hier – ebenso wie die des schon mangels Anerkennungserklärung nicht einschlägigen § 1592 Nr. 2 BGB – bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nach ihrem klaren Wortlaut allein die Vaterschaft regelt und diese einem bestimmten Mann zuweist (…). Für eine Auslegung gegen diesen Wortlaut ist kein Raum (…).
Die Vorschrift gehört zu den Abstammungsregeln der §§ 1591 ff. BGB, die die Eltern-Kind- Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater zum Gegenstand haben (…).
Insofern nimmt das Gesetz ausgehend davon, dass ein Kind einen männlichen und einen weiblichen Elternteil hat, eine Zuordnung des Kindes zu zwei Elternteilen unterschiedlichen Geschlechts vor (…). Dementsprechend soll die Bestimmung des § 1592 BGB nach ihrem Sinn und Zweck nicht die gleichgeschlechtliche Elternschaft normieren. Ein dahingehender gesetzgeberischer Wille lässt sich auch nicht aus dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts entnehmen, das § 1592 BGB unverändert gelassen hat. Weder dessen Gesetzestext noch die gesetzgeberischen Materialien hierzu (…) befassen sich mit Abstammungsfragen.“
Aber auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung werden vom Senat ungeachtet der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe verneint. Es fehle bereits an einer planwidrigen Regelungslücke:
„Wie das Oberlandesgericht weiter richtig gesehen hat, ist § 1592 Nr. 1 BGB auch nicht entsprechend anwendbar.
Mit dem am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 (…) hat der Gesetzgeber zwar zivilrechtlich durch Änderung des § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt und zugleich mit § 17 a PStG Lebenspartnern die Möglichkeit eröffnet, ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Hiervon haben die Antragstellerin und die Kindesmutter am 12. Oktober 2017 Gebrauch gemacht, so dass sie zum Zeitpunkt der Geburt des betroffenen Kindes miteinander verheiratet waren (…).
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB liegen aber nicht vor (…). Eine solche erfordert zum einen eine planwidrige Regelungslücke. Zum anderen muss die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte gegeben sein, also der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (…).
Entgegen der von der Rechtsbeschwerde und Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (…) weist das Gesetz schon keine planwidrige Regelungslücke zu der Frage einer Mit-Elternschaft von gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auf (…).
Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit der „Ehe für alle“ bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, beseitigen wollte (…). Dies lässt aber nicht den Schluss zu, er habe es versehentlich verabsäumt, die bestehende Differenzierung im Abstammungsrecht aufzuheben (…). Vielmehr hatte der Gesetzgeber bei der Neuregelung insbesondere eine „konkrete und symbolische Diskriminierung“ im Blick, die er darin erkannte, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe verwehrt war. Haltbare Gründe dafür, homo- und heterosexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten, vermochte er nicht mehr zu erkennen. Darüber hinaus sah er eine zu beseitigende Benachteiligung insbesondere im Adoptionsrecht (…).
Bereits daraus ergibt sich, dass die Neuregelung nicht jedwede unterschiedliche rechtliche Behandlung von homo- und heterosexuellen Paaren beenden sollte, sondern der Gesetzgeber ganz bestimmte – und dann auch mit der Gesetzesänderung berücksichtigte – Bereiche erfassen wollte. Die Abstammung, die nach der gesetzlichen Systematik nicht als Wirkung der Ehe,
sondern als selbständiger Tatbestand im Verwandtschaftsrecht konzipiert ist (…), gehörte nicht zu diesen.“ (…)
Nicht nur fehlt es an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke, auch liegt nach Auffassung des Gerichts kein vergleichbarer Sachverhalt vor:
„Daneben fehlt es auch an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe zweier Frauen mit der von § 1592 Nr. 1 BGB geregelten Elternschaft des mit der Kindesmutter verheirateten Mannes.
Die Zuordnungstatbestände des § 1592 BGB knüpfen an Kriterien an, die im Regelfall denjenigen Mann als rechtlichen Vater erfassen, von dem das Kind biologisch abstammt (…). Die Vaterschaft kraft Ehe beruht mithin darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regelmäßig abbildet (…). Dass dies in der Lebenswirklichkeit im Einzelfall unzutreffend sein kann, was auch etwa die Bestimmung des § 1600 Abs. 5 BGB aufgreift (…), beseitigt nicht die Richtigkeit der regelhaften Annahme. Diese der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Vermutung ist für die mit der Kindesmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet (…). Vielmehr ist diese – abgesehen vom nicht vergleichbaren Ausnahmefall des mit der Kindesmutter verheirateten Samen spendenden Mann-zu-Frau-Transsexuellen (…) – zwingend und damit abweichend von dem die Bestimmung des § 1592 Nr. 1 BGB tragenden Regelfall personenverschieden zum leiblichen Vater des Kindes.“ (…)
Schließlich zerstreut der Bundesgerichtshof auch verfassungsrechtliche Bedenken:
„Das Familiengrundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG wird hierdurch nicht verletzt, weil bereits sein Schutzbereich nicht berührt ist. Diese Verfassungsnorm schützt die Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern unabhängig davon, ob die Kinder von den Eltern abstammen oder ob sie ehelich oder nichtehelich geboren wurden, und gewährt ein Recht auf familiäres Zusammenleben und auf Umgang (…). Die (Nicht-)Eintragung der Antragstellerin in das Geburtenregister als Mit-Elternteil des Kindes ihrer Ehefrau betrifft aber nicht das Familienverhältnis der Ehepartner mit dem Kind. Das Geburtenregister hat lediglich – unter anderem die rechtlichen Abstammungsverhältnisse des Kindes betreffend – beurkundende Funktion. Das Zusammenleben eines Kindes mit seinen Eltern im Rahmen der Familie wird dadurch hingegen nicht berührt. Eintragungen in ein Personenstandsregister haben keine rechtserzeugende Kraft. Auch die gesetzliche Regelung des § 1592 Nr. 1 BGB, der die Abstammung des Kindes an die Vermutung knüpft, dass Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt hat, greift selbst nicht in das Recht der Familie ein (…).
Verfassungsrechtlich ist daher nichts dagegen zu erinnern, dass die Ehefrau einer Kindesmutter – wie im vorliegenden Fall die Antragstellerin – jedenfalls bis zu einer eventuellen gesetzlichen
Neuregelung auf die Sukzessivadoption nach § 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB verwiesen bleibt, um in die rechtliche Elternstellung zu gelangen. Auf diesem rechtlichen Weg werden sowohl die Rechte des betroffenen Kindes gewahrt (…) als auch über die Vorschrift des § 1747 BGB die Rechte des in solchen Fallgestaltungen notwendigerweise zusätzlich zu den beiden Ehegatten existierenden biologischen Vaters (…).“
Zusammenfassung:
- Die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau wird weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB Mit-Elternteil des Kindes.
- Die darin liegende unterschiedliche Behandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren ist mit dem Grundgesetz vereinbar.