Verfahrensrechtliche Durchsetzung der Kindesanhörung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.01.2023 – 5 WF 138/22 –,
Aus dem Sachverhalt:
In einem Umgangsverfahren wurden die Termine zur Kindesanhörung mehrfach auf Antrag der Mutter verschoben. Zum neuen Termin ordnete das Gericht das persönliche Erscheinen der Mutter an und forderte sie auf, für das Erscheinen des Kindes Sorge zu tragen. Für den Fall des Nichterscheinens wurde dabei auf Zwangsmittel gem. § 35 Absatz 3 FamFG hingewiesen. Die Mutter erschien nicht zu dem Termin. Sie ließ per Anwaltsschriftsatz mitteilen, dass sich die Tochter (damals drei Jahre alt) geweigert habe, das Gericht zu betreten und mit dem Richter zu sprechen.
Das Gericht setzte ein Ordnungsgeld iHv 500 EUR fest. Gegen diesen Beschluss legte die Mutter Beschwerde ein.
Aus den Gründen:
„(…) Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist als sofortige Beschwerde gemäß § 35 Abs. 5 FamFG mit §§ 567 ff. ZPO statthaft. Es ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache auch Erfolg.
1. Zutreffend hat das Familiengericht in der Nichtabhilfeentscheidung ausgeführt, dass hier – anders als im angefochtenen Beschluss ausgeführt – keine Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Betracht kommt. Die Voraussetzungen eines Ordnungsgeldes nach § 33 FamFG gegen die Antragsgegnerin liegen nicht vor.
a. Hinsichtlich des persönlichen Erscheinens der Antragsgegnerin ist bereits keine eindeutige Anordnung ergangen. Das persönliche Erscheinen der Antragsgegnerin wird zwar in der Terminsladung zunächst angeordnet, durch den Zusatz wird aber deutlich, dass dies lediglich das Erscheinen des Kindes sichern soll, für das das Erscheinen der Antragsgegnerin nicht erforderlich ist. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das persönliche Erscheinen des betreuenden Elternteils im Rahmen einer Kindesanhörung überhaupt angeordnet werden darf (…) und ob die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung im Vollstreckungsverfahren nach § 33 FamFG zu prüfen wäre.
b. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG gegen die Mutter wegen des Nichterscheinens des Kindes kommt nicht in Betracht, da dies nur für den Beteiligten selbst vorgesehen ist.
2. Auch die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Mutter nach § 35 FamFG liegen hier nicht vor.
Die Zwangsmittel des § 35 FamFG sind (anders als die Ordnungsmittel nach § 33 FamFG) in die Zukunft gerichtete Beugemittel, durch die eine Handlung oder Unterlassung erzwungen werden soll. Sie sollen nicht den in der Vergangenheit liegenden Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung bestrafen, sie haben keinen Sanktionscharakter (…). Damit setzen sie eine gerichtliche Anordnung voraus, die in der Zukunft noch durchgesetzt werden soll. Daran fehlt es aber, wenn der in der gerichtlichen Anordnung genannte (einzige) Termin zur Vornahme der Handlung vorüber ist (…).
Im vorliegenden Fall hat sich die gerichtliche Anordnung gegen die Antragsgegnerin vom 23.09.2022, das Kind zum Termin vom 04.10.2022 zu bringen, erledigt. Eine in die Zukunft gerichtete weitere gerichtliche Anordnung – wie von § 35 FamFG verlangt – besteht hier nicht.
3. Damit dürfte eine verfahrensrechtliche Durchsetzung der Verpflichtung des betreuenden Elternteils, das Kind zur gerichtlichen Anhörung zu bringen, nicht möglich sein.
Die Vorschrift des § 35 FamFG (…) dürfte dafür ungeeignet sein. Eine gerichtliche Anordnung, das Kind zur Anhörung zu bringen, kann sich immer nur auf einen konkreten Termin beziehen. Die Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsmitteln nach § 35 FamFG setzt aber wiederum voraus, dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgt ist.
Insoweit besteht wohl eine Gesetzeslücke. Hinsichtlich gerichtlicher Anordnungen zu terminsbezogenen Verpflichtungen von Beteiligten sieht das Gesetz in § 33 Abs. 3 FamFG eine Sanktion in Form von Ordnungsmitteln nur für das persönliche Erscheinen des Beteiligten selbst vor, eine Festsetzung gegen den Inhaber der tatsächlichen Obhut des Kindes ist nicht vorgesehen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen das Kind nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG dürfte jedenfalls bei einem 4-jährigen Kind daran scheitern, dass dieses nicht unentschuldigt fehlt. Damit kommt auch eine zwangsweise Vorführung des Kindes nach § 33 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht in Betracht.
4. Sollte eine nach § 159 FamFG zwingend vorzunehmende persönliche Anhörung des Kindes an der fehlenden Mitwirkung des betreuenden Elternteils scheitern, wäre verfahrensrechtlich zu prüfen, ob nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen ein schwerwiegender Grund für das Absehen nach § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG vorliegt. Anderenfalls wäre materiell-rechtlich über eine (vorläufige) punktuelle Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB nachzudenken. Dies wird häufig die Einleitung eines gesonderten Verfahrens erforderlich machen.
Außerdem könnte ggfs. in der Sache – ggfs. in einem gesonderten Verfahren – eine einstweilige Anordnung ohne vorherige Anhörung des Kindes ergehen. (…)“
Zusammenfassung:
Zur Erzwingung der Anhörung des Kindes durch das Gericht kommt weder die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 33 Absatz 3 FamFG noch die Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 35 Absatz 1 FamFG in Betracht.