Rücktritt vom Versuch der Nötigung
BGH, Beschluss vom 27. Juni 2018, 4 StR 110/18
Aus dem Sachverhalt:
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte seine getrennt lebende Frau unter anderem mehrfach mit der Faust geschlagen, ihr das Mobiltelefon abgenommen, um es nach Männerkontakten zu durchsuchen und sie, um dieses Ziel zu erreichen, aufgefordert, ihm ihr Passwort zu nennen.
Hierzu hatte er die Hand zur Faust geballt, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dieses Vorwurfs unter anderem wegen versuchter Nötigung verurteilt.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision hatte insoweit Erfolg.
Aus den Gründen:
Das Revisionsgericht hebt ein Urteil auf, wenn es auf einem Rechtsfehler beruht, § 337 StPO.
Ein solcher Rechtsfehler kann auch gegeben sein, wenn die Feststellungen, die das Tatgericht (also das Gericht, das den Sachverhalt auf Grundlage einer zuvor durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt hat) unvollständig sind.
Einen solchen Fall hat das oberste Strafgericht vorliegend angenommen, denn nach seiner Auffassung gab der vorliegende Sachverhalt Anlass, die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 StGB zu diskutieren:
„(…) Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung im Fall II. 6 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer nicht geprüft hat, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von dem Versuch der Nötigung strafbefreiend zurückgetreten ist.
(…)
Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht die Frage eines strafbefreienden Rücktritts näher erörtern und hierzu weitere Feststellungen treffen müssen.“
Zu Beurteilung, ob das bloße nicht weiterverfolgen seines Ziels im vorliegenden Falle eine ausreichende Rücktrittsleistung darstellte, wäre es erforderlich gewesen, Feststellungen hinsichtlich des Vorstellungsbild des Angeklagten zu treffen:
„(…) Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB wird nicht wegen Versuchs bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Bei einer versuchten Nötigung ist es insoweit ausreichend, dass der Täter freiwillig davon absieht, sein Nötigungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen (…). Für die Frage, ob ein unbeendeter Versuch vorliegt, kommt es auf die Sicht des Täters nach Ende der letzten Ausführungshandlung an. Geht er zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was zur Herbeiführung des Erfolgs erforderlich ist, ist ein unbeendeter Versuch anzunehmen (…). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das für die revisionsrechtliche Prüfung erforderliche Vorstellungsbild des Täters nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (…).
Zu dem maßgeblichen Rücktrittshorizont des Angeklagten verhält sich das Urteil nicht. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. (…)“
Zusammenfassung:
Kommt nach Lage des Falles ein Rücktritt vom Versuch einer Straftat in Betracht, muss sich der Tatrichter im Urteil zum Rücktrittshorizont des Angeklagten verhalten, weil davon die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch abhängt.
Auch für die Frage der Freiwilligkeit und für die Frage, ob ein Fehlschlag, der einen Rücktritt ausschließen würde, vorliegt, ist die Vorstellung des Täters von entscheidender Bedeutung.