Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück nach der Trennung einer nicht ehelichen Beziehung
OLG Hamm, Urteil vom 6. April 2022 – I-8 U 172/20 –
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück und im Wege der Widerklage um Rückzahlung eines Darlehens.
Die Klägerin und der Beklagte führten eine nichteheliche Beziehung, in der sie mit notariellem Kaufvertrag vom 20.04.2017 das im Klage- und Berufungsantrag bezeichnete Grundstück zu einem Kaufpreis von 92.000 EUR je zur Hälfte erwarben. Sie wollten gemeinsam ein Einfamilienhaus errichten und bewohnen. Der Beklagte beglich den Kaufpreis für das Grundstück und gewährte der Klägerin für ihren hälftigen Anteil am Kaufpreis ein unbefristetes Darlehen in Höhe von 46.000 EUR. Zur Finanzierung des Bauvorhabens schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag mit der Xbank über 275.000 EUR. Das Darlehen wurde von der Bank weitgehend ausbezahlt. Kurz nach Beginn des Bauvorhabens scheiterte die Beziehung. Die Klägerin setzte das Bauvorhaben alleine fort und veranlasste umfangreiche Investitionen in das Grundstück. Das inzwischen fertiggestellte Einfamilienhaus nutzt sie alleine.
Eine von der Klägerin im Januar 2019 angestrebte Beurkundung eines notariellen Vertrags zur Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils des Beklagten auf die Klägerin gegen Zahlung von 46.000 EUR und zur Rückzahlung des vom Beklagten gewährten Darlehensbetrags von der Klägerin an den Beklagten in Höhe von weiteren 46.000 EUR kam nicht zustande.
Die Klägerin kündigte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.01.2019 eine aus ihrer Sicht zwischen den Parteien bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Errichtung des Einfamilienhauses und forderte den Beklagten erfolglos zur „Rückäußerung“ des Grundstücks auf. Dieser kündigte mit anwaltlichem Schreiben vom 02.04.2019 das von ihm gewährte Darlehen und forderte die Klägerin unter Berücksichtigung einer dreimonatigen Kündigungsfrist ebenfalls erfolglos zur Rückzahlung der 46.000 EUR auf.
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, die Parteien hätten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Gesellschaftszweck „Bau eines Einfamilienhauses“ gegründet. Sie habe diese Gesellschaft gekündigt. Die Parteien hätten eine mündliche Vereinbarung zur Auseinandersetzung der Gesellschaft getroffen, wonach der Beklagte seinen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück gegen Zahlung von 92.000 EUR an sie zu übertragen habe. Eine Berufung auf die Formnichtigkeit der Vereinbarung sei treuwidrig, weil sie wertsteigernde Investitionen in das Grundstück geleistet habe.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Parteien hätten keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern eine Bruchteilsgemeinschaft gegründet. Die Parteien hätten nicht vereinbart, dass er seinen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück an die Klägerin übertragen müsse. Jedenfalls sei eine solche Vereinbarung wegen der Formbedürftigkeit von Grundstücksverträgen gemäß §§ 311b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB nichtig.
Der Beklagte hat weiter vorgetragen, das von ihm gewährte Darlehen sei nach der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist zur Rückzahlung fällig.
Die auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteil gerichtete Klage blieb erfolglos, auf die Widerklage des Beklagten wurde der Kläger verurteilt an den Beklagten 46.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.07.20 zu zahlen.
Aus den Gründen:
„Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem im Klage- und Berufungsantrag bezeichneten Grundstück aufgrund einer mündlichen Vereinbarung der Parteien gemäß § 311 Abs. 1 BGB.
Es kann dahinstehen, ob die Parteien die umstrittene Vereinbarung zur Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück getroffen haben. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine solche mündliche Vereinbarung formnichtig ist (§§ 311b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB).
Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein Verstoß gegen die Formvorschrift führt zur Nichtigkeit (§ 125 Satz 1 BGB).
Die Parteien haben unstreitig keinen Notarvertrag geschlossen. Der Beklagte hat die von den Parteien angestrebte notarielle Beurkundung einer Grundstücksübertragung abgelehnt. Der Entwurf des Notars aus Januar 2019 und eine etwaige mündliche Vereinbarung der Parteien genügen nicht.
Die Berufung des Beklagten auf die Formunwirksamkeit ist nicht treuwidrig (§ 242 BGB).
Der Gesetzgeber hat die Form des Rechtsgeschäfts der Disposition der Parteien entzogen, so dass nach der Rechtsprechung besonders strenge Anforderungen an den Grundsatz von Treu und Glauben zu stellen sind. Eine Berufung auf die Formnichtigkeit ist nur ausgeschlossen, wenn die Rechtsfolgen der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts für die betroffene Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar sind, etwa bei Existenzvernichtung oder besonders schwerer Treuepflichtverletzung (…). Allerdings ist selbst dann eine Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn beide Parteien die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts kannten (…).
Nach diesen Vorgaben kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass der Beklagte sich treuwidrig auf die Formvorschrift beruft.
Sie hat nicht aufgezeigt, dass die Nichtigkeit der Vereinbarung für sie schlechthin untragbar ist. Etwaige von ihr getätigte Investitionen in das Grundstück – selbst im großen Umfang – genügen hierfür nicht. Die Investitionen beruhen auf einem eigenen Entschluss der Klägerin nach der Trennung. Außerdem ist sie ebenso wie der Beklagte hälftige Miteigentümerin des Grundstücks und nutzt das inzwischen fertiggestellte Einfamilienhaus alleine. Sie profitiert daher unmittelbar selbst von ihren Aufwendungen.
Ungeachtet dessen ist die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Beide Parteien kannten die Formbedürftigkeit der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück. Sie haben den gemeinsamen Erwerb des Grundstücks vor dem Notar beurkunden lassen. Nach der Trennung wollten sie die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück vom Beklagten auf die Klägerin notariell beurkunden lassen.
Die Klägerin kann ihr Klagebegehren auch nicht auf eine mündlich vereinbarte Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß § 730 BGB stützen.
Die Parteien haben keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, weil sie keinen (konkludenten) Gesellschaftsvertrag i.S.v. § 705 BGB „zur Errichtung eines Einfamilienhauses“ geschlossen haben.
Nach dem Vortrag der Klägerin sind die Parteien „im Hinblick auf die zukünftige Lebensgestaltung“ übereingekommen, „gemeinsam ein Baugrundstück zu erwerben und hierauf ein Einfamilienhaus zu errichten, das zukünftig gemeinsam bewohnt werden sollte“ (…). Verfolgen die Partner – wie hier – einen Zweck, der nicht über die Verwirklichung der Beziehung hinausgeht, bestehen grundsätzlich Zweifel an dem für einen Gesellschaftsvertrag erforderlichen Rechtsbindungswillen. Davon abgesehen bestand kein Bedürfnis für eine gesellschaftsvertragliche Regelung. Beide Parteien gingen davon aus, alle Kosten hälftig aufzuteilen. Dementsprechend haben sie Verträge abgeschlossen, wonach sie die Kosten für das Grundstück (Darlehensvertrag zwischen den Parteien) und die Investitionen für das Einfamilienhaus (Darlehensvertrag mit der Xbank) jeweils zur Hälfte tragen. Darin liegen eigenständige Vereinbarungen, die der Annahme eines schlüssigen Zustandekommens eines Gesellschaftsvertrages entgegenstehen (…).
Zudem ist eine mündliche Vereinbarung über die Auseinandersetzung einer Gesellschaft, mit der ein hälftiger Miteigentumsanteils an einem Grundstück übertragen werden soll, formnichtig, weil das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB auch für Auseinandersetzungsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern gilt (…).
Schließlich hat die Klägerin keine gesetzlichen Ausgleichsansprüche nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Zwar kommen nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB) und nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht (…). Das kann etwa der Fall sein, wenn die Partner Miteigentümer einer Immobilie je zur Hälfte sind, der eine aber erheblich höhere Beiträge hierzu geleistet hat als der andere (…).
Die Voraussetzungen für solche Ausgleichsansprüche liegen aber nicht vor.
Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, dass die Parteien vor ihrer Trennung eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führten. Sie ist den substantiierten Ausführungen des Beklagten in der Berufungserwiderung, wonach dies nicht der Fall war (keine häusliche Gemeinschaft, keine Wirtschaftsgemeinschaft, keine gemeinsame Lebensführung, keine Kinder, kein gemeinsames Konto, Integration im jeweiligen Elternhaus, nur gelegentliche Kontakte beim Hobby), nicht entgegengetreten. Der Vortrag des Beklagten gilt daher als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Außerdem hat die Klägerin dem Beklagten keine „gemeinschaftsbezogene“ Zuwendung gemacht. Der Beklagte hat seinen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück selbst erworben. Die Investitionen der Klägerin in das gemeinsame Grundstück erfolgten nach Beendigung der Beziehung. Sie dienten nicht der Verwirklichung einer Lebensgemeinschaft. Ohnehin kann eine Zuwendung der Klägerin an den Beklagten nicht angenommen werden, soweit sie die Investitionen in das Grundstück mit dem Bankdarlehen finanziert hat, das die Parteien gemeinsam aufgenommen haben. Insoweit liegt keine einseitige Zuwendung, sondern eine gemeinsame Aufwendung vor.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt eine Übertragung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Zuwendungen, die erst nach Beendigung der Beziehung getätigt werden, nicht in Betracht. Hintergrund für den Ausgleichsanspruch ist, dass der „gemeinschaftsbezogenen Zuwendung“ die Vorstellung oder Erwartung des Zuwendenden zugrunde liegt, dass die Lebensgemeinschaft, deren Ausgestaltung sie gedient hat, gerade Bestand haben wird (…). Das ist hier wegen der vorangegangenen Trennung der Parteien gerade nicht der Fall.
II. Die zulässige Widerklage ist begründet.
Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 46.000 EUR gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die Parteien schlossen unstreitig einen unbefristeten Darlehensvertrag. Der Beklagte valutierte das Darlehen in voller Höhe, in dem er den Kaufpreis für das Grundstück beglich.
Der Rückzahlungsanspruch ist fällig.
Der Beklagte kündigte das Darlehen mit anwaltlichem Schreiben vom 02.04.2019. Die Fälligkeit trat drei Monate nach der Kündigung ein (§ 488 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Der Fälligkeit steht eine etwaige ursprüngliche Vereinbarung der Parteien, dass die Klägerin das Darlehen „durch Zahlung von Bauhandwerkerrechnungen und Leistungen der Klägerin zwecks Errichtung des Einfamilienhauses“ verrechnen durfte, nicht entgegen.
Eine solche Vereinbarung hat nach der Trennung der Parteien keine Gültigkeit mehr, weil sich die Geschäftsgrundlage für eine solche Verrechnungsabrede – die gemeinsame Errichtung eines Einfamilienhauses – schwerwiegend verändert hat und die Parteien eine solche Vereinbarung nicht getroffen hätten, wenn sie das Scheitern der Beziehung vorausgesehen hätten (§ 313 Abs. 1 BGB). Die Parteien hätten für den Fall der Trennung vor Abschluss des Bauvorhabens die Rückzahlung des Darlehens nach den allgemeinen Vorschriften zum Darlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB) vorgesehen, weshalb eine entsprechende Anpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage angezeigt ist. Jedenfalls ist eine etwaige ursprüngliche Verrechnungsabrede durch die Kündigung des Klägers aufgelöst worden (§ 313 Abs. 3 BGB).
Der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs steht auch eine etwaige nachträgliche mündliche Vereinbarung der Parteien, dass der Rückzahlungsanspruch erst nach Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils des Beklagten am Grundstück an die Klägerin fällig sein soll, nicht entgegen.
Eine solche Vereinbarung ist mangels notarieller Beurkundung nach §§ 311b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB formnichtig. Bei gemischten Verträgen (Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück und Darlehensrückzahlung) erstreckt sich der Formzwang auf den gesamten Vertrag, sofern dieser rechtlich eine Einheit bildet (…). Das ist der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen“ sollen (…). Von einer solchen rechtlichen Einheit ist hier auszugehen, weil die Parteien die Rückzahlung des vom Beklagten gewährten Darlehens von der Übertragung seines Miteigentumsanteils am Grundstück abhängig machen wollten. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 7 des notariellen Entwurfs aus Januar 2019. Beide Vereinbarungen sollten also nur zusammen gelten, so dass der gemischte Vertrag insgesamt dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechen musste.
Der Rückzahlungsanspruch ist nicht erloschen.
Eine Verrechnung des Rückzahlungsanspruchs in Höhe von Bauhandwerkerrechnungen, welche die Klägerin zur Errichtung des Wohnhauses beglichen hat, oder mit Eigenleistungen, die sie hierfür erbracht hat, scheidet aus, weil nach der Trennung der Parteien die Geschäftsgrundlage für eine solche Vereinbarung entfallen ist (s.o.).
Etwaige gesetzliche Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten wegen der Wertsteigerung des hälftigen Miteigentumsanteils des Beklagten am Grundstück hat diese nicht zur Aufrechnung gestellt.
Zusammenfassung:
- Der Erwerb eines Grundstücks zu je ½ mit dem Ziel, darauf ein Einfamilienhaus zu errichten, das künftig gemeinsam bewohnt werden soll, stellt keine konkludente Begründung einer BGB-Gesellschaft dar, wenn der Zweck nicht über die Verwirklichung der Beziehung der Parteien hinausgeht.
- Die Vereinbarung über die Auseinandersetzung einer BGB-Gesellschaft, die die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück zum Inhalt hat, bedarf zur Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Die Berufung auf die Formnichtigkeit ist jedenfalls dann nicht treuwidrig, wenn beide Parteien die Formbedürftigkeit kannten.
- Scheitert eine nichteheliche Beziehung nach dem gemeinsamen Erwerb eines Baugrundstücks und errichtet ein Partner nunmehr allein auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus, kann er anteiligen Ersatz seiner Aufwendungen nicht nach den Grundsätzen über Ausgleichsansprüche nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verlangen. Es verbleiben Ansprüche wegen der Wertsteigerung des hälftigen Miteigentumsanteils des anderen Partners.