Sind Scheidungskosten von der Steuer absetzbar?
Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr macht die Klägerin unter anderem Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastung nach § 3 EStG geltend.
Das beklagte Finanzamt setzte die Einkommensteuer auf knapp 7000 € fest. Dabei berücksichtigte es die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht.
Der BFH hat in seinem Urteil vom 18. Mai 2017 – VI R 9/16 die Frage offengelassen, ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind.
Denn nach § 33 Abs. 2 S. 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Nach Auffassung des BFH werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von dieser Vorschrift erfasst, da es sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits handele.
Der Begriff des Rechtsstreits bezeichne im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst werde indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltung-, Finanz-und Strafgerichten.
Da § 33 Abs. 2 S. 4 EStG das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht eingreife, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren, könnten Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren nicht in Ansatz gebracht werden. Denn ein Ehegatte erbringe die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage unserer lebensnotwendigen Bedürfnisse.
Gescheiterte Ehe als seelische Existenzgrundlage?
Als Existenzgrundlage im Sinne des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen.
Zwar könne der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die eine Gebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könne man im Falle einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen.
Nach Auffassung des Gerichtes lege jedoch der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz „in dem üblichen Rahmen“ einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe, denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen seien wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.
Eine Existenzbedrohung hat der BFH immer nur angenommen, soweit der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte.
Soweit er mit einer Klage immaterielle Schäden-etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-geltend gemacht hat, hat das Gericht darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet war.
Auch Kosten für ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht von der Steuer absetzbar
Dasselbe gelte auch für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Denn die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greife nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbliebe, der zur Existenz unbedingt erforderlich sei.
Zusammenfassung:
- Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) im Sinn des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG.
- Sie sind durch § 33 Abs. 2 S. 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.
- Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse