Aufwendungen für die Unterbringung im Pflegeheim als außergewöhnliche Belastung
BFH, Urteil vom 4.10.2017 – VI R 22/16
Die Kläger sind Erben ihrer während des Revisionsverfahrens verstorbenen Mutter. Diese war im Streitjahr (2013) verheiratet und wurde mit ihrem im Jahr 2014 verstorbenen Ehemann zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Eheleute waren seit Mai 2013 in einem Alten- und Pflegeheim in einem Doppelzimmer untergebracht. Der bestehende Haushalt der Eheleute wurde im Juli 2013 aufgelöst. Im Mai 2014 wurde ärztlich bescheinigt, dass die Mutter der Kläger nach der Krankenhausentlassung und einem Reha-Aufenthalt nicht mehr in der Lage sei, sich selbst zu versorgen und einen Haushalt zu führen. Der Vater der Kl. war pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe 2.
Für die Unterbringung in dem Heim, Verpflegung und Pflegeleistungen entstanden den Eheleuten abzüglich der Erstattungsleistungen anderer Stellen Kosten iHv knapp 28000 Euro. Diese minderten sie um eine anteilige Haushaltsersparnis. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Eheleute unter Vorlage entsprechender Rechnungen den verbleibenden Betrag iHv rund 24000 Euro als außergewöhnliche Belastung nach 33 EStG geltend. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr lediglich einen Teil der Kosten der Heimunterbringung der Eltern.
Die Revision der Kl. gegen dieses Urteil war nur in geringem Umfang begründet.
Der BFH führt aus, dass die als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Heimunterbringung der Eltern der Kläger zu Recht um eine Haushaltsersparnis für jeden der Ehegatten gekürzt wurden.
Nach § 33 EStG werde die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen § 33 Abs. 2 EStG). Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind von dem Anwendungsbereich des § 33 EStG indes nicht erfasst.
Nicht alle Krankheitskosten sind berücksichtigungsfähig
Krankheitskosten kommen als außergewöhnliche Belastung nur in Betracht, soweit dem Steuerpflichtigen zusätzliche Aufwendungen erwachsen, lediglich gegenüber der normalen Lebensführung entstehende Mehrkosten seien berücksichtigungsfähig. Dementsprechend sind Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Grundsatz um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht zu kürzen, es sei denn, der Pflegebedürftige behalte seinen normalen Haushalt bei.
Die Haushaltsersparnis des Steuerpflichtigen schätzt die Rechtsprechung entsprechend dem in § 33 a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen. Dem folgen die Finanzbehörden. Dieser betrug im Streitjahr 8130 Euro (im Jahr 2018: 9000 Euro).
Diese Schätzung stuft der Senat als realitätsgerecht ein. Die Haushaltsersparnis sei durch einen Vergleich der aufgewendeten Pflegeheimkosten mit den Kosten des aufgegebenen entsprechenden privaten Haushalts zu ermitteln. Maßgröße seien insoweit die üblichen Kosten eines Einpersonenhaushalts, welche in ihren Mindestanforderungen durch den in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag typisiert abgebildet werden.
Diese meistens zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende Typisierung diene der Rechtsanwendungsgleichheit und Rechtssicherheit.
Seien beide Ehegatten krankheitsbedingt in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht, sei für auch für beide Ehegatten eine Haushaltsersparnis anzusetzen. Denn sie seien beide durch den Aufenthalt dort und die Aufgabe des gemeinsamen Haushalts um dessen Fixkosten wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungsaufwand und Verpflegungskosten entlastet. Zudem sei der Ansatz einer Haushaltsersparnis für jeden Ehegatten geboten, weil die in den personenbezogenen Alten- und Pflegeheimkosten enthaltenen Aufwendungen für Nahrung, Getränke, übliche Unterkunft und Ähnliches typische, steuerlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigende Kosten der Lebensführung eines jeden Steuerpflichtigen sind. Die Kürzung der Aufwendungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung eines Ehepaars in einem Pflegeheim lediglich um eine Haushaltsersparnis würde damit eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung bewirken.
Denn diese Aufwendungen seien für jeden der beiden Ehegatten im Grundsatz bereits durch den in § 32a EStG geregelten Grundfreibetrag steuerfrei gestellt.
Zusammenfassung:
- Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim kommen als außergewöhnliche Belastung nur in Betracht, soweit dem Steuerpflichtigen zusätzliche Aufwendungen erwachsen.
- Daher sind Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Grundsatz um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, es sei denn, der Pflegebedürftige behält seinen normalen Haushalt bei.
- Sind beide Ehegatten krankheitsbedingt in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht, ist für jeden der Ehegatten eine Haushaltsersparnis anzusetzen.