Zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen eines Übungsleiters
BFH, Urteil vom 20.12.2017 – III R 23/15
Die Klägerin ist im Hauptberuf Angestellte. Darüber hinaus bezog sie im Jahr 2012 von einem Sportverein Einnahmen iHv 1200 Euro als Übungsleiterin. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit hatte die Klägerin Ausgaben in der unstreitigen Höhe von 4062 Euro, hauptsächlich durch Nutzung des eigenen PKW für Fahrten zu Wettkämpfen. Den hieraus entstandenen Verlust machte sie in der Einkommensteuererklärung 2012 geltend. Das beklagte Finanzamt erkannte den Verlust nicht an.
In der ersten Instanz, in welcher die Klägerin begehrte, einen Verlust aus der Übungsleitertätigkeit iHv 1962 Euro anzuerkennen, war die Klage erfolgreich.
Dagegen richtete sich das Finanzamt mit seiner Revision. Diese führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Streitsache an das Finanzgericht (FG).
Maßgeblich ist die Einkünfteerzielungsabsicht
Entscheidend hierfür war (lediglich), dass sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen ließ, ob die Klägerin ihre Tätigkeit als Übungsleiterin mit Einkünfteerzielungsabsicht ausgeübt hat. Sollte dies zu bejahen sein, so das oberste deutsche Finanzgericht, kann sie den Verlust aus der Übungsleitertätigkeit geltend machen:
„Nach § 3 Nummer 26 S. 1 EStG sind (ua) Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiter im Dienst oder im Auftrag einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 KStG fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger Zwecke – hier: Förderung des Sports nach § 52 Absatz 2 Nummer 21 AO – bis zur Höhe von insgesamt 2100 Euro (Streitjahr 2012) steuerfrei.
Die Anwendung des § 3 Nummer 26 EStG setzt (auch) voraus, dass die Kl. ihre nebenberufliche Tätigkeit als Übungsleiterin mit der Absicht, einen Totalgewinn oder -überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen, ausgeübt hat. Denn sollte ihre Tätigkeit als so genannte Liebhaberei anzusehen sein, wären die daraus stammenden Einnahmen nicht steuerbar und die damit zusammenhängenden Aufwendungen steuerlich unbeachtlich (…). Entsprechende Feststellungen des FG fehlen. (…)
Die Absicht der Gewinn- oder Überschusserzielung ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann (…). Unabhängig von den Motiven, aus denen der Einzelne einer Beschäftigung nachgeht, ist eine Gewinn-/Überschusserzielungsabsicht dann anzunehmen, wenn in der Regel Überschüsse aus der Beschäftigung tatsächlich erzielt werden. Umgekehrt ist von dem Fehlen einer Gewinn-/Überschusserzielungsabsicht dann auszugehen, wenn die Einnahmen in Geld oder Geldeswert lediglich dazu dienen, in pauschalierender Weise die tatsächlichen Selbstkosten zu decken …“
In der Vergangenheit ist der BFH von einer steuerlich irrelevanten Liebhaberei in den Fällen ausgegangen, in denen Sportler im Zusammenhang mit ihrer Betätigung lediglich Zahlungen erhalten hatten, die geringer oder nur ganz unwesentlich höher waren, als die ihnen entstandenen Aufwendungen.
Vermutung für Einküfteerzielungsabsicht, wenn Einnahmen den Freibetrag deutlich übersteigen
(..) „In Höhe des übersteigenden Betrags sind sie dann als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb oder als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu versteuern. Die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht ist auch dann notwendig, wenn die mit einer Übungsleitertätigkeit zusammenhängenden Ausgaben die Einnahmen deutlich übersteigen und – wie im Streitfall – ein steuerrechtlich relevanter Verlust geltend gemacht wird.
Im Streitfall drängt sich eine Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht auf, weil der Kl. bei Einnahmen iHv lediglich 1200 Euro Ausgaben iHv 4062 Euro entstanden sind. Aus der vom FG in Bezug genommenen Einkommensteuererklärung sowie aus der dieser beigefügten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, die Bestandteil der tatrichterlichen Feststellungen sind (…), geht hervor, dass die Kl. für ihren Verein mit ihrem eigenen Pkw zu Auswärtswettkämpfen fuhr und dass ihr hierbei Aufwendungen entstanden, welche die Zahlungen des Vereins beträchtlich überschritten. Die Einnahmen waren somit im Streitjahr nicht geeignet, die Ausgaben zu übersteigen oder auch nur in etwa abzudecken.“
Die Klärung dieser Frage durfte nach der Auffassung des BFH nicht offenbleiben, da die Aufwendungen der Klägerin bei Vorliegen einer entsprechenden Einkünfteerzielungsabsicht dem Grunde nach abzugsfähig sind.
„Die Abziehbarkeit der Aufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen der Kl. aus der Übungsleitertätigkeit stehen, richtet sich im Streitfall nach § 3c Absatz I EStG und nicht nach § 3 Nummer 26 S. 2 EStG. Die letztgenannte Vorschrift, der zufolge die mit einer nebenberuflichen Tätigkeit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben abweichend von § 3 c EStG nur insoweit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden dürfen, als sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen, ist hier nicht anwendbar, weil die (…) steuerfreien Einnahmen von 1200 Euro den Maximalbetrag von 2100 Euro nicht übersteigen.
Entgegen der Rechtsansicht des Finanzamts und des BMF folgt daraus jedoch nicht, dass der geltend gemachte Verlust im Streitfall schon dem Grunde nach nicht anzuerkennen ist. Die Vorschrift des § 3c Absatz I EStG steht einem Abzug nicht entgegen. Hiernach dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden.
Die Einschränkung „soweit“ in § 3c Absatz I EStG besagt zunächst, dass bei Aufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang sowohl mit steuerpflichtigen als auch mit steuerfreien Einnahmen stehen, eine Aufteilung vorzunehmen ist („Aufteilungsgebot“). Dabei richtet sich der nicht abziehbare Teil nach dem Verhältnis, in dem die steuerfreien zu den gesamten Einnahmen, die der Steuerpflichtige aus einer Tätigkeit bezogen hat, stehen (…).
Abzug nur bis zur Höhe des Freibetrags ausgeschlossen
Die Bedeutung der Konjunktion „soweit“ ist jedoch nicht auf solche Fälle beschränkt. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ausschließlich steuerfreie Einnahmen erzielt worden sind und die damit unmittelbar wirtschaftlich zusammenhängenden Aufwendungen höher sind, ermöglicht sie darüber hinaus eine Auslegung, wonach die Ausgaben nur bis zur Höhe der steuerfreien Einnahmen vom Abzug ausgeschlossen sind und der übersteigende Betrag steuerrechtlich zu berücksichtigen ist. Hiervon geht auch die ständige Rechtsprechung des BFH aus, der sich der Senat anschließt (…)
Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Rechtsgrundsatz, wonach bei steuerfreien Einnahmen kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den Abzug von unmittelbar mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden soll (…). Die Anwendbarkeit des § 3 c EStG wird durch diese Zweckbestimmung begrenzt (…). Die Abzugsbeschränkung des § 3 c EStG kann deshalb nicht dazu führen, dass die im Rahmen einer Einkunftsart angefallenen Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auch insoweit nicht abgezogen werden können, als sie die Einnahmen übersteigen. Eine solche Gesetzesauslegung würde zu dem nicht gerechtfertigten Ergebnis führen, dass ein Steuervorteil in einen Steuernachteil umschlägt (…).
Der vom BMF angestellte Vergleich mit Aufwendungen, die von vornherein außerhalb der Einkünftetatbestände des EStG anfallen, führt zu keiner anderen Betrachtung (…). Derartige Aufwendungen sind von Anfang an losgelöst von einer für das Einkommensteuerrecht relevanten wirtschaftlichen Betätigung zu betrachten und bereits aus diesem Grund steuerlich nicht zu berücksichtigen. Im Gegensatz hierzu stehen Aufwendungen, die im Rahmen einer Einkunftsart anfallen, jedoch aufgrund einer spezialgesetzlichen Regelung steuerfrei gestellt sind. In solchen Fällen ist eine Gesetzesauslegung angezeigt, die es verhindert, dass sich eine Steuerbefreiung nachteilig auswirkt.“
Zusammenfassung:
Erzielt ein Übungsleiter, der mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig ist, steuerfreie Einnahmen unterhalb des sogenannten Übungsleiterfreibetrags nach § 3 Nummer 26 EStG, kann er die damit zusammenhängenden Aufwendungen insoweit abziehen, als sie die Einnahmen übersteigen.
In einem solchen Fall kommt der Prüfung, ob die verlustbringende Tätigkeit nicht lediglich wegen persönlicher Neigungen ausgeübt wird, ein besonderes Gewicht zu.