Ärger beim Erwerb der Eigentumswohnung
Stellen Silberfische einen Mangel dar?
Mit notariellem Vertrag erwarb der Käufer vor zwei Jahren eine Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 84.000 €.
§ 5 des notariellen Kaufvertrages enthält folgenden Passus:
„Der Käufer hat den Vertragsgegenstand genau besichtigt und kauft ihn im gegenwärtigen ihm bekannten Zustand. Dem Käufer ist bekannt, dass das Wohnungseigentum im Jahr 1996 errichtet und seitdem nicht mehr in der grundlegenden Bausubstanz erneuert wurde.“
Zum Zeitpunkt der Übergabe lebten, wie auch bereits bei Abschluss des Vertrages, ein halbes Dutzend Silberfische in der Wohnung, was der Käufer ca. 2 Monate nach Übergabe der Wohnung bemerkte. Der Verkäufer wusste von den Tieren. In den Monaten vermehrten sich die Tiere exponentiell, sodass schließlich hunderte tote und lebende Silberfische in allen Teilen der Wohnung vorzufinden waren.
Trotz des intensiven Einsatzes verschiedener Kammerjäger, Klebefallen und Kontaktgiften konnte der Silberfischbefall auch nach rund einjähriger Bekämpfungsdauer nicht eingedämmt werden.
Nachdem sich schließlich herausstellte, dass aufgrund des Umfangs der zwischenzeitlich erfolgten Kontaminierung mit Gift der Befall mit Silberfischen nicht mehr beseitigt werden konnte, hat der Verkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Der Verkäufer verweigert die Rückabwicklung.
Maßgeblich für die Frage, der Wirksamkeit des Rücktritts ist das Vorhandensein eines kaufvertraglichen Sachmangels im Sinne des § 434 BGB.
Liegen weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch eine Garantieerklärung des Verkäufers vor, so ist die Kaufsache mangelhaft, wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufernach der Art der Sache erwarten kann.
Beschaffenheiten sind die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaftenden Eigenschaften sowie die Beziehungen der Kaufsache zur Umwelt, wenn sie mit ihren physischen Eigenschaften zusammenhängen und soweit sie nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben.
Deshalb zählt ein Insektenbefall einer Wohnung zu deren Beschaffenheit.
Das allein begründet aber noch nicht die Annahme eines Sachmangels. Das ist erst dann der Fall, wenn die tatsächliche Beschaffenheit von der vertraglich geschuldeten nachteilig abweicht. Eine Eigentumswohnung muss sich in erster Linie für Wohnzwecke von Menschen eignen. Diese vertraglich vorausgesetzte Bestimmung beinhaltet, dass sie eine Beschaffenheit aufweist, die bei Eigentumswohnungen üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Auch das Alter der Wohnung ist entscheidend
Es dürfte der Erwerber einer gebrauchten, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses rund 19 Jahre alten Eigentumswohnung nicht erwarten können, dass diese Wohnung völlig frei von Silberfischen ist. Ein solcher Zustand entspräche auch nicht dem Üblichen. Vielmehr ist ein gewisser Grundbestand von Silberfischen in Wohnungen weder unüblich noch ist die Abwesenheit dieser Tiere generell zu erwarten. Ein Rücktritt wegen eines Sachmangels kommt daher nicht in Betracht.
Auch die arglistige Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht greift nicht durch. Insoweit gilt, dass keine allgemeine Aufklärungspflicht dahingehend besteht, den anderen uneingeschränkt über alle mit einem Rechtsgeschäft verbundenen Risiken aufzuklären. Jede Partei muss grundsätzlich ihre Interessen selbst wahrnehmen und sich erkundigen, ob die Umstände, die sie veranlassen, das Rechtsgeschäft zu tätigen, tatsächlich gegeben sind und ob der Vertragszweck erreicht werden kann.
Gleichwohl trifft eine Partei die Pflicht, den anderen Teil ungefragt über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und für die Willensbildung nach der objektiven Verkehrsanschauung von wesentlicher Bedeutung sind.
Diesbezüglich gilt, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses lediglich ein halbes Dutzend Silberfische in der Wohnung vorhanden waren. Entsprechend der obigen Darlegungen zum Sachmangel bedeutet die Existenz dieser Tiere im genannten Umfang keinen Umstand, der nach der objektiven Verkehrsanschauung von wesentlicher Bedeutung für die Willensbildung des Käufers ist.
Somit bestand keine vorvertragliche Aufklärungspflicht des Verkäufers, die dieser verletzt hätte.
Zusammenfassung:
- Bei einer 19 Jahre alten Eigentumswohnung muss mit Silberfischen gerechnet werden.
- Den Verkäufer trifft hierüber grundsätzlich keine Aufklärungspflicht.