Zulassung zum Weihnachtsmarkt
OVG Bremen, Beschl. v. 15.8.2019 – 2 LA 296/18
Aus dem Sachverhalt:
Der Kl. hatte sich im Jahr 2017 für die Teilnahme am Bremer Weihnachtsmarkt beworben. Sein Imbiss- und Ausschankbetrieb hat die Form eines „Weihnachtsbaumes“ und ist ca. 40 m hoch, mit einer Grundfläche von 16 x 16 m. Im „Erdgeschoss“ befinden sich der Ausschankbereich und ein Schwenkgrill, im „Obergeschoss“ ein Gastraum für bis zu 60 Personen. Darüber folgt ein in „Weihnachtsbaumoptik“ gestalteter, spitz zulaufender Kegel. Die Bekl. hat die Zulassung mit Bescheid vom 17.11.2017 abgelehnt (wie auch schon im Jahr 2016). Hiergegen hat der Kl. beim VG zunächst erfolglos um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit seiner Hauptsacheklage begehrte er nun die Feststellung, dass die Ablehnung seiner Zulassung zum Weihnachtsmarkt rechtswidrig war.
Das VG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
Regelmäßig gibt es bei der Ausrichtung von Jahrmärkten mehr Bewerber als es Standplätze gibt. Ebenso regelmäßig suchen die unterlegenen Bewerber gerichtlichen Schutz mit dem Ziel doch eine Zulassung zu erhalten.
Das grundsätzliche Recht zur Teilnahme ergibt sich aus § 70 GewO. Der veranstaltenden Gemeinde kommt zwar ein gerichtlich nicht voll überprüfbares Gestaltungsermessen zu. Gleichwohl muss die Auswahlentscheidung für alle Bewerber transparent und nachvollziehbar ausgestaltet werden.
Vorliegend ging der Kläger von einer fehlerhaften Entscheidung aus. Zwar hätte er wegen des Zeitablaufs keinen Erfolg mehr für die Zulassung zu dem ursprünglich begehrten Weihnachtsmarkt haben können; hätte das Gericht jedoch die Rechtswidrigkeit der (ablehnenden) Entscheidung festgestellt, hätte ein solches Verdikt möglicherweise seine Chancen bei zukünftigen Jahrmärkten verbessert.
Allerdings blieb der Kläger auch in der Hauptsache erfolglos:
(…) „Das VG hat die Abweisung der Klage tragend darauf gestützt, dass die Bekl. für den Weihnachtsmarkt ein rechtmäßiges, insbesondere nicht in sich widersprüchliches Gestaltungskonzept verfolgt habe. Dieses Konzept habe auf dem gesamten Markt (einschließlich der sog „Randbereiche“ bzw. „Erweiterungsbereiche“ am Hanseatenhof und Ansgarikirchhof) nur eingeschossige Ausschankbetriebe mit sehr beschränkten Sitzmöglichkeiten zugelassen. Das Geschäft des Kl. habe sich schon wegen seiner Höhe von 40 m nicht in dieses Konzept eingefügt und konnte daher nach § 70 Absatz III GewO ermessensfehlerfrei „aus sachlich gerechtfertigten Gründen“ abgelehnt werden (vgl. Nr.II. 1, 2 a) und b) des angefochtenen Urteils).
aa) Der Kl. wendet hiergegen ein, dass die Bekl. keinen Beschluss über ein solches Gestaltungskonzept vorgelegt und ein solches Konzept auch nicht öffentlich bekannt gemacht habe. Eine solche allgemeine Festlegung wäre seines Erachtens aber nötig gewesen, um die Transparenz und Fairness des Zulassungsverfahrens zu wahren.
Maßstab für die Zulassung sei daher allein die „Zulassungsrichtlinie für die Volksfeste und Marktveranstaltungen der Stadt Bremen“. Diese mache keine Vorgabe für die Höhe und Sitzplatzanzahl von Geschäften auf dem Weihnachtsmarkt.
Dieses Vorbringen stellt die Auffassung des VG, dass die Bekl. ein rechtmäßiges Gestaltungskonzept verfolgt habe, in das sich das Geschäft des Kl. nicht einfügt, nicht schlüssig infrage.
Der Ag. als Veranstalterin des Bremer Weihnachtsmarkts kommt aus § 70 Absatz III GewO ein weites, gerichtlich nicht voll nachprüfbares Gestaltungsermessen zu. Dies gebietet es, sowohl die Kriterien, von denen sie sich leiten lässt, als auch das konkrete Auswahlverfahren und die Auswahlentscheidung selbst für alle Bewerber transparent und nachvollziehbar auszugestalten. Bestehen für das Auswahlverfahren ermessensbindende Richtlinien, so ist die Verwaltung daran gebunden, soweit die Vorgaben der Richtlinien ihrer tatsächlichen Verwaltungspraxis entsprechen. Der dem Teilnehmer danach zustehende Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zulassungsantrag wird maßgeblich dadurch geprägt, ob sich die Ag. durch verwaltungsinterne Regelungen über das Verfahren und die Auswahlkriterien und ihre tatsächliche Verwaltungspraxis selbst gebunden hat. Insoweit besteht ein subjektives Recht des Teilnehmers auf Gleichbehandlung (Art. GG Artikel 3 GG Artikel 3 Absatz I GG). Es ist der Ag. als Veranstalterin verwehrt, willkürlich von dem zuvor festgelegten Verfahren und den Auswahlkriterien abzuweichen (…).
Dass die Bekl. nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich an ermessensbindende Richtlinien gebunden ist, wenn solche bestehen, bedeutet jedoch nicht, dass sie verpflichtet wäre, jedes denkbare Kriterium, das für ihre Zulassungsentscheidung eine Rolle spielen kann, in der Zulassungsrichtlinie vorab detailliert festzulegen. Vergaberichtlinien müssen nicht in jeder Hinsicht erschöpfende Auskunft über alle Faktoren geben, die für den Erfolg oder Misserfolg einer Bewerbung maßgeblich werden können (…). Es steht grundsätzlich im Ermessen des Veranstalters, in welchem Umfang er das ihm nach § 70 Absatz III GewO eingeräumte Auswahlermessen dadurch bindet, dass er vorab Kriterien für dessen Ausübung festschreibt (…). Das gebotene Maß an Nachvollziehbarkeit und Transparenz kann insbesondere auch dadurch gewahrt sein, dass sich der Zulassungsrichtlinie Zielvorstellungen entnehmen lassen, die durch die tatsächliche Zulassungspraxis näher konkretisiert werden.
Die Zulassungsrichtlinie für die Volksfeste und Marktveranstaltungen der Stadt Bremen enthält in Nr. 1 eine solche Zielvorstellung für das äußere Erscheinungsbild der Märkte.
Nach dieser Regelung ist es „Veranstaltungsziel und damit bindender Zulassungsgrundsatz […], jeweils ein veranstaltungstypisches Marktbild […] zu gewährleisten und die Märkte entsprechend weiter zu entwickeln.“
Es ist nicht geboten und wegen der Vielgestaltigkeit der denkbaren Lebenssachverhalte auch kaum möglich, vorab in der Zulassungsrichtlinie anhand eines Katalogs allgemeiner Kriterien abschließend festzulegen, wann ein Geschäft dem „veranstaltungstypischen Bild“ des Bremer Weihnachtsmarktes entspricht bzw. nicht entspricht. Dies näher zu konkretisieren, kann der Zulassungspraxis der Veranstalterin überlassen werden, die allerdings den Gleichheitssatz beachten und insbesondere willkürfrei sein muss. Weicht ein bestimmtes Geschäft deutlich von dem bisherigen, weitgehend homogenen Bild der betroffenen Veranstaltung ab, spricht dies dafür, dass es nicht dem „veranstaltungstypischen Bild“ entspricht.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vortrag der Bekl., die Geschäfte auf dem Bremer Weihnachtsmarkt seien bisher in eingeschossiger Bauweise gestaltet gewesen, nicht zutrifft. Der Kl. legt in seinem Zulassungsantrag nicht dar, dass für den Bremer Weihnachtsmarkt in der Vergangenheit ein Ausschankbetrieb zugelassen wurde, der in der Höhe mit seinem Geschäft vergleichbar war. Sein ca. 40 m hoher Betrieb weicht daher in besonders auffälligem Maße vom bisherigen, hinsichtlich der Höhe der Stände weitgehend homogenen Bild des Bremer Weihnachtsmarktes ab. Angesichts dieser deutlichen und augenfälligen Abweichung entspricht er nicht mehr dem „veranstaltungstypischen Bild“.
Es ist nicht sachwidrig, wenn die Bekl. an die Frage, ob ein Geschäft dem „veranstaltungstypischen Bild“ des Bremer Weihnachtsmarktes entspricht, strenge Anforderungen stellt. Ein Weihnachtsmarkt ist eine Veranstaltung von besonderer sozialer, kultureller und traditioneller Prägung (…) Gerade bei traditionsreichen Weihnachtsmärkten ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Veranstalter ihre Auswahlentscheidung vorrangig vom äußeren Erscheinungsbild der Geschäfte abhängig machen. Hier erwarten die Besucher eine traditionelle weihnachtliche Atmosphäre, die sich vor allem im optischen Erscheinungsbild widerspiegelt, das Besucher von einem traditionsreichen Weihnachtsmarkt erwarten“ (…]).
Zusammenfassung:
- Nicht alle Kriterien, die bei der Zulassung von Jahrmarktgeschäften eine Rolle spielen können, müssen vorab in einer Zulassungsrichtlinie detailliert festgelegt sein (hier: „veranstaltungstypisches Marktbild“). Ihre Konkretisierung kann auch durch eine willkürfreie, den Gleichheitsgrundsatz beachtende Verwaltungspraxis erfolgen.
- Weicht ein Geschäft deutlich vom bisherigen, weitgehend homogenen Bild der Veranstaltung ab, spricht viel dafür, dass es nicht dem veranstaltungstypischen Bild entspricht.
- Bei traditionsreichen Weihnachtsmärkten dürfen strenge Anforderungen an das „veranstaltungstypische Bild“ gestellt werden.