Wartepflicht nach Selbstanzeige eines Schöffen
BGH, Beschluss vom 26. September 2023 – 5 StR 164/22 –,
Aus dem Sachverhalt:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 79 Fällen im Zeitraum von 2011 bis 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt, von der es drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt hat. Gegen die Einziehungsbeteiligte hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.053.205,43 Euro angeordnet. Hiergegen wenden sich der Angeklagte und die Einziehungsbeteiligte mit ihren Revisionen. Die Einziehungsbeteiligte erhebt lediglich die Sachrüge; der Angeklagte beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und sind im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Aus den Gründen:
„ (…) Den vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen, die sämtlich die Mitwirkung eines Schöffen, dessen von der Strafkammer als Selbstanzeige im Sinne des § 30 StPO behandelte Erklärung und sein anschließendes Ausscheiden aus dem Verfahren betreffen, bleibt der Erfolg versagt.
1. Den Rügen mit unterschiedlicher Angriffsrichtung liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Einer der bis dahin am Verfahren mitwirkenden Schöffen erklärte unmittelbar vor Beginn des achten Hauptverhandlungstages am 10. März 2021 gegenüber den Strafkammermitgliedern, er leide an einer manischen Depression und nehme als Einschlafhilfe ein Antidepressivum. Da die Wirkung des Medikaments erst am Vormittag nachlasse, sei er an den bisher durchgeführten Hauptverhandlungsterminen „nur zu 80 Prozent“ anwesend gewesen. Bei früheren Gesprächen, welche die Strafkammermitglieder unter anderem wegen seiner geschlossenen Augen mit ihm geführt hatten, habe er die Müdigkeitserscheinungen der Wahrheit zuwider bestritten. Er habe das Medikament jedoch inzwischen abgesetzt, so dass er sich nunmehr in der Lage fühle, der Hauptverhandlung zu folgen. Trotz dieser Erklärung des Schöffen führte die Strafkammer den Hauptverhandlungstermin an diesem Tag durch und setzte die Vernehmung eines Zeugen fort.
Am 12. März 2021 telefonierte der Vorsitzende mit der Ärztin des Schöffen, die ihm versicherte, dessen Verhandlungsfähigkeit sei nicht beeinträchtigt; er könne das Medikament problemlos absetzen. Im Anschluss daran fragte der Vorsitzende den Schöffen in einem Telefonat, ob seine mündliche Erklärung vom 10. März 2021 als Selbstanzeige eines möglichen Befangenheitsgrundes anzusehen sei, was dieser bejahte. Am selben Tag informierte der Vorsitzende die Verteidiger und den Vertreter der Staatsanwaltschaft per E-Mail über den Sachverhalt und stellte den Verfahrensbeteiligten anheim, den Schöffen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, was nicht geschah.
Mit Beschluss vom 23. März 2021 stellte die Strafkammer fest, dass die in der Selbstanzeige des Schöffen mitgeteilten Umstände die Besorgnis seiner Befangenheit rechtfertigten. Grund sei nicht seine Erkrankung, sondern dass der Schöffe gegenüber der Strafkammer zunächst das Bestehen eines Müdigkeitsproblems ausdrücklich bestritten hatte. Erst am achten Hauptverhandlungstag habe er dann aber im Anschluss an einen entsprechenden Antrag der Verteidigung eingeräumt, aufgrund der täglichen Einnahme eines Medikaments vormittags während der vorangegangenen Hauptverhandlungstage nur „zu ca. 80 Prozent anwesend gewesen“ zu sein. Er habe mithin an mehreren Tagen unter Einfluss eines medizinisch nicht notwendigen, aber die Auffassungsfähigkeit einschränkenden Medikaments und unter fortlaufendem Ignorieren der Bitten des beisitzenden Richters und der Verteidiger um Aufklärung etwaiger Einschränkungen, an der Hauptverhandlung teilgenommen. Mit Ausscheiden des Schöffen trat für diesen am nächsten Hauptverhandlungstag die Ergänzungsschöffin in das Quorum ein.
2. Die Rüge mit der Angriffsrichtung, die Strafkammer habe die Wartepflicht gemäß § 29 Abs. 1 StPO verletzt, indem sie am 10. März 2021 nach der Erklärung des Schöffen weiterverhandelt habe, ist jedenfalls unbegründet.
Eine Pflicht, mit der Hauptverhandlung bis zur Entscheidung über die Selbstanzeige zuzuwarten, hat nicht bestanden; die Strafkammer durfte unter Mitwirkung des Schöffen weiterverhandeln. Im Einzelnen:
a) Nach § 29 Abs. 1 StPO gilt der Grundsatz, dass „ein abgelehnter Richter“ sich aller Amtshandlungen zu enthalten hat, die nicht unaufschiebbar sind (…). Die Vorschrift begründet eine Wartepflicht des Abgelehnten, die das Interesse des Ablehnenden daran schützt, dass der von ihm für befangen erachtete Richter in dem Verfahren nicht weiter mitwirkt. Ein abgelehnter Richter, dessen Ablehnung möglicherweise für begründet erklärt werden wird, soll nicht länger als unbedingt nötig auf das Prozessgeschehen einwirken können (…).
b) Ob diese Wartepflicht über den Wortlaut des § 29 Abs. 1 StPO hinaus auch auf den Richter entsprechend anzuwenden ist, der eine Selbstanzeige gemäß § 30 StPO erstattet hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Hieran bestehen allerdings Zweifel.
aa) Eine solche entsprechende Anwendbarkeit ist zwar von der älteren Rechtsprechung – ohne nähere Begründung – angenommen worden (…). Diese Entscheidungen basierten aber noch auf der Annahme, dass es sich bei der Selbstanzeige um interne Vorgänge handele und eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten hierzu sachwidrig und entbehrlich sei. Dies erwies sich als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (…).
bb) Nunmehr ist den Verfahrensbeteiligten zu der Selbstanzeige des Richters rechtliches Gehör zu gewähren, zu dessen effektiver Verwirklichung auch zählt, mit Aufschub gestattenden Amtshandlungen zuzuwarten, bis mit einer Reaktion der Verfahrensbeteiligten auf die Selbstanzeige zu rechnen ist. Auf diese Weise haben es die Ablehnungsberechtigten in der Hand, aufgrund der mitgeteilten Verhältnisse ihre Besorgnis der Befangenheit zu erklären, den Richter deswegen abzulehnen und so die Rechtswirkungen des Verfahrens nach §§ 24 ff. StPO und mithin auch die direkte Anwendbarkeit des § 29 StPO herbeizuführen. Erachten sie aufgrund der mitgeteilten Selbstanzeige den Richter nicht für befangen, so haben sie zum Ausdruck gebracht, keine Bedenken gegen die weitere Mitwirkung dieses Richters zu haben und ihre prozessuale Rechtsstellung hierdurch nicht berührt zu sehen. Damit besteht von ihrer Seite auch kein schützenswertes Interesse an einer Wartepflicht des selbstanzeigenden Richters, welchem durch eine entsprechende Anwendung des § 29 StPO Rechnung getragen werden müsste.
cc) Der Senat verkennt nicht, dass das zivilprozessuale Schrifttum aus der verfassungsgerichtlichen Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs zur Selbstanzeige und der dadurch ausgelösten Streichung des § 48 Abs. 2 ZPO aF eine Gleichbehandlung des Verfahrens nach einem Ablehnungsgesuch durch eine Partei und der „Selbstablehnung“ nach § 48 ZPO – die Norm ist bis auf die Überschrift fast wortgleich mit § 30 StPO – ableitet (…). Dies lässt die durch die Gewährung rechtlichen Gehörs geschaffene Möglichkeit der Parteien, auf die mit der Selbstanzeige mitgeteilten Umstände ein Ablehnungsgesuch zu stützen (…) und so die Folgen des § 47 ZPO, der seinem Wortlaut nach ebenfalls nur für den „abgelehnten Richter“ gilt, herbeizuführen, allerdings unberücksichtigt.
dd) In objektiv-rechtlicher Hinsicht gebietet das Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auf den gesetzlichen und mithin unbefangenen Richter (…) nicht die entsprechende Anwendung des § 29 StPO auf das Verfahren nach alleiniger Selbstanzeige. Das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat einen materiellen Gewährleistungsgehalt, durch den garantiert wird, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (…). Dies verpflichtet den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, abzulehnen oder von der Ausübung seines Amts auszuschließen (BVerfG aaO). Die Ausgestaltung im Einzelnen ist aber Sache des Gesetzgebers (…), der sich für ein gestuftes Nebeneinander von Ausschlussgründen und Befangenheit entschieden hat.
Während die Ausschlussgründe nach §§ 22, 23, 148a Abs. 2 Satz 1 StPO absolut und unabhängig von einem Antrag der Prozessbeteiligten wirken und auf sie nicht verzichtet werden kann (…), ist der im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO befangene Richter nicht bereits mit dem Entstehen des Ablehnungsgrundes von der weiteren Mitwirkung ausgeschlossen. Diese Wirkung tritt erst durch einen Gerichtsbeschluss ein, der seine Befangenheit feststellt (…). Zudem findet eine Überprüfung der Befangenheit von Amts wegen nicht statt (…); auch kann die Geltendmachung von Befangenheitsgründen – verfassungsrechtlich unbedenklich (…) – nach § 25 StPO präkludiert sein. Würde der abgelehnte Richter schon vor der Entscheidung des Gerichts über seine Befangenheit nicht mehr gesetzlicher Richter sein, wäre dieses Stufenverhältnis unhaltbar. Hiermit ließe sich auch die Annahme einer Heilung eines Verstoßes gegen die Wartepflicht bei Rechtskraft der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs unter Verstoß gegen Verfassungsrecht (…) nicht vereinbaren.
Der Gesetzgeber hat zudem durch § 30 StPO sichergestellt, dass das Recht der Verfahrensbeteiligten auf einen unbefangenen Richter auch dann effektiv durchgesetzt werden kann, wenn die eine Befangenheit begründenden Umstände nicht offen zu Tage treten. Denn nach dieser Vorschrift ist der Richter verpflichtet, Mitteilung über solche Umstände zu machen, die seine Ablehnung oder die eines anderen Richters (…) rechtfertigen könnten. Es handelt sich um eine Dienstpflicht und eine im Verhältnis zu den Verfahrensbeteiligten bestehende und unmittelbar verfahrensrelevante Verpflichtung (…). Nach Mitteilung dieser Selbstanzeige haben es die Verfahrensbeteiligten sodann in der Hand, durch entsprechende Antragstellung eine nicht unbedingt notwendige Mitwirkung des für befangen erachteten Richters im Rahmen der Regelung des § 29 StPO zu verhindern. Dieses Zusammenspiel stellt sicher, dass das verfassungsgemäße Recht auf den neutralen Richter effektiv durchgesetzt werden kann und die betroffene Rechtsposition der Verfahrensbeteiligten ausreichend geschützt ist.
ee) Auch im Übrigen erscheint eine entsprechende Anwendung nicht geboten. Vielmehr entspricht es der gesetzgeberischen Grundkonzeption, das Verfahren nach Ablehnung (§§ 24 ff. StPO) und nach einer Selbstanzeige (§ 30 StPO) unterschiedlich auszugestalten. Dies zeigt sich vor allem im Anwendungsbereich des § 338 Nr. 3 StPO. Dieser absolute Revisionsgrund ist nur nach Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit eröffnet, wohingegen in den Fällen des § 30 StPO die Entscheidung, durch welche die Selbstanzeige für begründet oder nicht begründet erklärt wird, für das Revisionsgericht für sich gesehen grundsätzlich nicht überprüfbar ist (…). Erst dann, wenn ein Ablehnungsberechtigter aufgrund des Vorbringens des Selbstanzeigenden diesen abgelehnt hat, ist das Ablehnungsverfahren und mithin der Anwendungsbereich des § 338 Nr. 3 StPO im Revisionsverfahren eröffnet (…). Insoweit ist das hohe Rechtsschutzniveau des § 338 Nr. 3 StPO an den Ablehnungsantrag gebunden. Der Senat neigt dazu, auch die Sicherungen des § 29 StPO, der nach der gesetzlichen Überschrift und nach dem Normtext allein das Verfahren nach Ablehnung betrifft, auch nur diesem Verfahren vorzubehalten.
c) Diese Fragen bedürfen hier indes keiner Entscheidung, denn selbst wenn eine Wartepflicht auch für das durch Selbstanzeige gemäß § 30 StPO ausgelöste Befangenheitsverfahren gelten sollte, erstreckte sie sich jedenfalls gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht auf die Hauptverhandlung.
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (…) ist die grundsätzliche Wartepflicht des § 29 Abs. 1 StPO für die Mitwirkung eines abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung weiter eingeschränkt worden (…). In § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO ist seitdem geregelt, dass die Hauptverhandlung keinen Aufschub gestattet und bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch stattfindet. Diese die Wartepflicht begrenzende Vorschrift gilt gemäß § 31 StPO auch für Schöffen (…).
Eine Übertragung der grundsätzlichen Wartepflicht für Aufschub gestattende Handlungen nach § 29 Abs. 1 StPO auf das Verfahren nach Selbstanzeige führt dazu, dass die gesetzgeberische Wertung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO zur Unaufschiebbarkeit der Hauptverhandlung für diese Konstellation ebenfalls Geltung beanspruchen muss. Denn der Gesetzgeber hat durch die Schaffung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO die Wartepflicht nach Absatz 1 der Vorschrift beschränkt; eine die Hauptverhandlung miterfassende Wartepflicht kennt die Strafprozessordnung seit der Änderung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht mehr.
Ein anderes Ergebnis würde zu Wertungswidersprüchen und zu dem gesetzgeberischen Willen widerstreitenden Ergebnissen führen. So hat derjenige, der einen Richter für befangen erachtet, bis zur Entscheidung über seinen Antrag dessen weitere Mitwirkung in der Hauptverhandlung hinzunehmen. Sein Interesse daran, dass der abgelehnte Richter bis zur Entscheidung über sein Gesuch nicht mehr an der Hauptverhandlung mitwirkt, muss nach der Wertung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO zugunsten des öffentlichen Interesses an der beschleunigten Durchführung der Hauptverhandlung zurücktreten (…). Erst Recht ist kein Grund dafür ersichtlich, dass demgegenüber im Fall einer Selbstanzeige nach § 30 StPO die Hauptverhandlung nicht mehr durchgeführt werden können sollte, ohne dass ein Antragsberechtigter einen Anschein der Befangenheit geltend gemacht hat. Vielmehr würde das gesetzgeberische Anliegen der Vereinfachung des Ablehnungsverfahrens durch die Gestattung der unbeschränkten Mitwirkung des abgelehnten Richters in der Hauptverhandlung ohne sachlichen Grund unterlaufen. (…)
Die Rüge, die Kammer habe durch den Ausschluss des Schöffen nach dessen Selbstanzeige willkürlich gehandelt und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG verletzt, bleibt ebenfalls erfolglos. (…)
b) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Das Revisionsgericht kann den Beschluss, durch den die Selbstanzeige eines Richters für begründet oder für nicht begründet erklärt wird, grundsätzlich nicht überprüfen. Ausnahmen gelten nur, wenn das Vorgehen des Gerichts objektiv willkürlich ist, das heißt das Verfahren nach § 30 StPO missbraucht wird, um den Angeklagten seinem verfassungsrechtlich garantierten gesetzlichen Richter zu entziehen (…). Das ist hier nicht der Fall. Eine kollusive, auf Entziehung des gesetzlichen Richters angelegte Verfahrensweise der Strafkammer ist nicht erkennbar. Die für und gegen eine Befangenheit des Schöffen sprechenden Aspekte wurden in dem zugrundeliegenden Beschluss vielmehr ausführlich – und keinesfalls nur auf die „eingestandene Müdigkeit als solche“ bezogen – dargestellt und abgewogen. Das Ergebnis, ein Richter müsse den Anschein der Befangenheit gegen sich gelten lassen, wenn er im Bewusstsein, die Hauptverhandlung zu beachtlichen Teilen nicht wahrgenommen zu haben, die Aufdeckung dieses Umstands durch unzutreffende Angaben zunächst zu verschleiern sucht, ist jedenfalls vertretbar. Dass hierdurch der Revision aussichtsreich erscheinende Rügen „neutralisiert“ worden sein könnten, führt für sich genommen nicht zur Willkürlichkeit der nachvollziehbar begründeten Entscheidung. Auch bei Gesamtbetrachtung des Vorgehens der Strafkammer, insbesondere des Umstands, dass die Selbstanzeige erst zwei Tage nach der ersten Erklärung des Schöffen hierzu den Verfahrensbeteiligten und allein durch ein Schreiben des Vorsitzenden bekannt gegeben worden ist, ergibt sich angesichts der Begründung der Befangenheit kein Verstoß gegen das Willkürverbot.(…)“
Zusammenfassung:
- Geht man davon aus, dass eine Wartepflicht nach § 29 Abs. 1 StPO auch für das durch Selbstanzeige gemäß § 30 StPO ausgelöste Befangenheitsverfahren gelten soll, erstreckt sie sich jedenfalls gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht auf die Hauptverhandlung.
- Eine Übertragung der grundsätzlichen Wartepflicht für Aufschub gestattende Handlungen nach § 29 Abs. 1 StPO auf das Verfahren nach Selbstanzeige führt dazu, dass die gesetzgeberische Wertung des § 29 Abs 2 Satz 1 StPO zur Unaufschiebbarkeit der Hauptverhandlung für diese Konstellation ebenfalls Geltung beanspruchen muss.
- Denn der Gesetzgeber hat durch die Schaffung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO die Wartepflicht nach Absatz 1 der Vorschrift beschränkt; eine die Hauptverhandlung miterfassende Wartepflicht kennt die Strafprozessordnung seit der Änderung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht mehr.