Diskriminierung durch
„junges, dynamisches Team“?
BAG, Urteile vom 23.11.2017 – 8 AZR 604/16 und vom 11.8.2016 – 8 AZR 406/14
In dem erst genannten Verfahren stritten die Parteien darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG bzw. wegen einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts schuldete. Die 1961 geborene Klägerin war deutsche Staatsangehörige russischer Herkunft. Die Klägerin bewarb sich auf eine Stellenanzeige der Beklagten als „Software Entwickler (Java) (m/w)“ in Vollzeit, in der sich die Beklagte als „junges und dynamisches Unternehmen mit 65 Mitarbeitern“ bezeichnete. Die Beklagte lud die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und sagte ihr per E-Mail ab. Die Klägerin machte u. A. einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Absatz II AGG geltend und forderte von der Beklagten eine angemessene Entschädigung.
Nach dieser Vorschrift kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 i.V.m. § 1 AGG, etwa wegen einer Diskriminierung das Geschlecht oder das Alter eines Bewerbers betreffend, vorliegt.
Eine solche Benachteiligung hat das BAG in der Entscheidung vom 23.11.2017 verneint. Das LAG habe zutreffend angenommen, dass die Beklagte die Stelle nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben habe. Das LAG habe die Stellenausschreibung der Beklagten zutreffend dahin ausgelegt, dass der Klammerzusatz „w/m“ in der Überschrift sowie im Text der Stellenanzeige hinter der Tätigkeitsbezeichnung „Software Entwickler (Java)“ hinreichend und abschließend deutlich mache, dass mit der Stellenausschreibung Frauen wie Männer gleichermaßen angesprochen werden sollten. Ebenso wenig sei die Würdigung des LAG zu beanstanden, dass die Ausschreibung der Stelle als Vollzeitstelle kein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts darstelle.
Das LAG habe auch zutreffend angenommen, dass die Beklagte die Stelle nicht unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ausgeschrieben habe.
Bei der Verwendung von „jung“ in einer Ausschreibung ist Vorsicht geboten
Zwar könne eine Stellenausschreibung, nach der eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten werde, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters i. S. v. § 3 Absatz I AGG bewirken, weil hierbei mit dem Begriff „jung“ unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft werde. In der Stellenausschreibung, die Gegenstand dieses Verfahrens war, würden die Begriffe „jung“ und „dynamisch“ allerdings nicht mit einem „Team“ in Verbindung gebracht, sondern mit dem Unternehmen der Beklagten. Während sich die Adjektive „jung“ und „dynamisch“ aus der Sicht der Adressaten der Stellenausschreibung bei einer Verbindung mit einem Team im Zweifel auf die Mitglieder dieser Gruppe bezögen und nicht auf den Zeitpunkt, seitdem dieses Team bestehe, beschrieben sie im Zusammenhang mit einem Unternehmen regelmäßig das Alter und damit eine Eigenschaft des Unternehmens.
§ 22 AGG kann Arbeitgeber zum Beweis zwingen, dass keine Benachteiligung vorliegt
Wie „gefährlich“ die Erwähnung eines jungen Teams in einer Stellenausschreibung sein kann, zeigt die Entscheidung des BAG vom 11.08.2016:
Der 1969 geborene Kläger war in diesem Fall Diplom-Betriebswirt mit dem Schwerpunkt Personalmanagement. Die Beklagte, eine Personalberatung, veröffentlichte eine Stellenanzeige, in welcher sie einen „Junior-Consultant“ zur Tätigkeit „in einem jungen dynamischen Team“ suchte. Der Kläger bewarb sich hierauf. Mit E-Mail vom 17.11.2011 erteilte die Beklagte ihm eine Absage.
Der Kläger forderte von der Beklagten eine Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 Absatz II AGG. Sowohl in der Stellenanzeige als auch in der Auswahlentscheidung sah der Kläger eine Diskriminierung wegen seines Alters.
Das BAG teilte die Auffassung des Klägers dem Grunde und ging davon aus, die angebotene Tätigkeit in „einem jungen dynamischen Team“ stelle eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters dar und sei daher als Indiz geeignet, die Vermutung i. S. v. § 22 AGG zu begründen, der Kläger sei im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt worden. Es sei nicht nur die Botschaft enthalten, dass die Mitglieder des Teams jung sind, sondern auch, dass ein Arbeitnehmer gesucht werde, der ebenfalls jung ist. Andernfalls sei die Passage ohne Aussagegehalt und daher überflüssig. Verstärkt werde dies durch den Begriff „dynamisch“, der eher jungen Mitarbeitern zugeschrieben werde. Im Begriff „Junior-Consultant“ könne nach dem BAG eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters liegen. Nach § 22 AGG trete sodann eine Beweislastumkehr ein. Der Arbeitgeber müsse dann darlegen und beweisen, dass andere Gründe entscheidend waren, z. B. das Fehlen einer unverzichtbaren formalen Qualifikation oder Anforderung oder der Abschluss des Auswahlverfahrens vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei. Eine weitere Möglichkeit liege darin, substantiiert vorzutragen, die Stelle sei unbesetzt geblieben. Es sei auch zulässig, bei Sichtung der Bewerbungsunterlagen nach einem Verfahren vorzugehen, bei welchem auf zulässig gestellte Anforderungen wie Vorkenntnisse oder eine Note geprüft und alle anderen Bewerbungen aussortiert werden. Diese Anforderung müsse schon in der Stellenanzeige anklingen und der Arbeitgeber müsse unter Einbeziehung aller Bewerbungen darlegen, dass er das Verfahren konsequent durchgeführt hat.
Zusammenfassung:
- Einerseits ist die Selbstbeschreibung eines Arbeitgebers als „junges und dynamisches Unternehmen“ nicht geeignet, die Vermutung i. S. v. § 22 AGG für eine Altersdiskriminierung im Stellenbesetzungsverfahren zu begründen.
- Auf der anderen Seite bewirkt die Formulierung in einer Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters i. S. v. 3 I AGG und ist deshalb geeignet, die Vermutung i. S. v. § 22 AGG zu begründen, dass ein/e Kläger/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines/ihres Alters benachteiligt wurde.