Zur Befristung von Arbeitsverträgen von Bundesligaspielern
BAG, Urteil vom 16.1.2018 – 7 AZR 312/16*
Die Parteien streiten u.a.über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.6.2014.
Der Kl. war bei dem beklagten Verein, dessen erste Mannschaft in der 1. Fußball-Bundesliga spielt, seit dem 1.7.2009 als Lizenzspieler in der Funktion des Torwarts beschäftigt. Die Beschäftigung erfolgte zunächst auf der Grundlage eines zum 30.6.2012 befristeten Arbeitsvertrags. Am 7.5.2012 schlossen die Parteien einen weiteren, zum 30.6.2014 befristeten Arbeitsvertrag.
Gerichtlich erstrebt der Kl. u.a. die Feststellung, dass die Befristung unwirksam sei.
In den ersten beiden Instanzen blieb der Kl. erfolglos.
Auch die Revision des Kl. hatte keinen Erfolg:
„(…) Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Die Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien zum 30.6.2014 ist wirksam. Sie ist aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt.
Nach § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt. In § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen können. Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund des § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 I GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 III GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden soll (…). Die Regelung kann daher zum Beispiel geeignet sein, die Befristung von Arbeitsverträgen mit programmgestaltenden Mitarbeitern bei Rundfunkanstalten oder mit Bühnenkünstlern zu rechtfertigen. Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung ist jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf diese Fallgruppen beschränkt, sondern kann auch in anderen Fällen zur Anwendung kommen (…).Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Anwendungsbereich des § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG auf derartige verfassungsrechtlich geprägte Arbeitsverhältnisse beschränkt sein soll.“
Umstritten war, wie das Tatbestandsmerkmal der „Eigenart der Arbeitsleistung“ auszulegen war. Nach der Auffassung des Klägers sollte es hierbei nicht (auch) auf die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses selbst ankommen.Dem tritt das BAG entgegen.
„Der Begriff der „Eigenart der Arbeitsleistung“ ist entgegen der Auffassung des Kl. nicht so zu verstehen, dass nur die Eigenart der Arbeitsleistung als solche, nicht aber Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses
berücksichtigt werden können. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbracht und kann nicht davon losgelöst betrachtet werden (…). Allerdings ist nicht jegliche Eigenart der Arbeitsleistung geeignet, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Nach der dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zugrunde liegenden Wertung ist der unbefristete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme (…). Daher kann die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund des § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG erfordert daher eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist (…).“
Nach der Auffassung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts rechtfertigen die Besonderheiten der vertraglichen Beziehungen eines Profifußballvereins und eines Lizenzspielers regelmäßig eine Befristung.
„Die Arbeitsvertragsbeziehungen zwischen einem Fußballverein der 1. Bundesliga und einem Lizenzspieler weisen Besonderheiten auf, die regelmäßig geeignet sind, die Befristung des Arbeitsvertrags sachlich zu rechtfertigen (…).
Der Grundsatz, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall und das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme ist, geht von der Annahme aus, dass ein Arbeitnehmer im Regelfall seinen Beruf bzw. seine Tätigkeit dauerhaft bis zum Rentenalter ausüben kann und der Arbeitsvertrag daher eine dauerhafte Existenzgrundlage bilden soll. Das ist bei einem Lizenzfußballspieler der 1. Bundesliga nicht der Fall. Während ein Arbeitnehmer üblicherweise unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten muss (…), werden im kommerzialisierten und öffentlichkeitsgeprägten Spitzenfußball von dem Lizenzspieler sportliche Höchstleistungen erwartet und geschuldet (…). Die Zuschauer, von deren Interesse der Profifußball – auch wirtschaftlich – abhängig ist, wollen Fußballspiele auf möglichst hohem Niveau sehen. Sie erwarten, dass jeder Spieler durch Spitzenleistungen zum erhofften Erfolg ihrer Mannschaft beiträgt. Da eine Mannschaft im Wettbewerb der 1. Bundesliga nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle Spieler sportliche Höchstleistungen erbringen (…), ist jeder Lizenzspieler verpflichtet, seine hohe sportliche Leistungsfähigkeit zu erhalten und nach Möglichkeit noch zu steigern, um diesem Anspruch gerecht zu werden.“
Es liegt auf der Hand, dass solche Höchstleistungen nicht bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters erbracht werden können.
„Solche sportlichen Höchstleistungen kann ein Lizenzspieler der 1. Bundesliga naturgemäß nicht dauerhaft bis zum Rentenalter, sondern nur für eine von vornherein begrenzte Zeit erbringen (…). Das steht bei einem Lizenzspieler der 1. Bundesliga schon zu Beginn seiner Karriere fest. Aus der typischerweise fehlenden Möglichkeit eines Lizenzfußballspielers der 1. Bundesliga, die vertraglich geschuldete, für den Profifußballsport unerlässliche (Höchst-)Leistung dauerhaft erbringen zu können, resultiert ein berechtigtes Interesse der Vertragsparteien daran, statt eines unbefristeten Dauerarbeitsverhältnisses ein befristetes Arbeitsverhältnis zu begründen. Der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Lizenzspielern entspricht daher einer durchgängig geübten Praxis im Profifußball (…).“
Sodann erörtert das Bundesarbeitsgericht den Zusammenhang zwischen Befristungen und dem internationalen Transfersystem im Profifußball:
„Der Abschluss befristeter Arbeitsverträge trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitsverhältnisse der Lizenzspieler der 1. Fußball-Bundesliga in das internationale Transfersystem eingebunden sind. Nach Art. 5 und 6 des FIFA-Transferreglements dürfen Spieler, die an Wettbewerben des organisierten Fußballs teilnehmen wollen, nur bei einem Verein spielberechtigt sein; der Wechsel der Spielberechtigung darf nur innerhalb der vom nationalen Fußballverband festzulegenden Zeitperioden erfolgen. Diese zeitlichen Transferbeschränkungen schützen vor einer Wettbewerbsverzerrung, indem sie einerseits eine im Wesentlichen gleichbleibende sportliche Stärke der Mannschaften während eines Wettbewerbs gewährleisten und andererseits durch Vereinswechsel während der Spielzeit entstehenden Interessenkonflikten vorbeugen (…). Unter diesem Transferreglement kann das Interesse der Vertragsparteien an einem Wechsel nur dann befriedigt werden, wenn zu den relevanten Zeitpunkten durch das Auslaufen befristeter Arbeitsverträge Beschäftigungsmöglichkeiten frei werden (…). Die Befristung von Arbeitsverträgen ermöglicht es einem Verein außerdem, auf dem Transfermarkt Einnahmen zu erzielen, wenn einer seiner Spieler vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit zu einem anderen Verein wechseln will. Diesem Wechsel wird der Verein regelmäßig nur gegen Zahlung einer Ablösesumme für den Spieler zustimmen. Die Ablösesumme entschädigt den Verein für die Investitionen in die sportliche Entwicklung des Spielers (…). Könnte ein Spieler jederzeit kündigen und zu einem anderen Verein wechseln, wäre eine Refinanzierung der Kosten für die Ausbildung des Spielers nicht möglich. Dies wirkte sich negativ auf die Ausbildungsbereitschaft der Vereine und die Wettbewerbsfähigkeit solcher Vereine aus, die sich durch den „Verkauf“ selbst ausgebildeter Spieler finanzieren (…). Dies liefe auch dem Interesse der Lizenzspieler zuwider, da sie nicht nur von der Ausbildung profitieren, sondern aufgrund der durch die Transferzahlungen bedingten Finanzstärke ihrer Vereine höhere Vergütungen erzielen können (…).
Diese berechtigten Belange sowohl des Vereins als auch des Spielers überwiegen regelmäßig das ebenfalls zu berücksichtigende Interesse des Spielers an dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags, der für ihn aufgrund der Art der geschuldeten Tätigkeit ohnehin nur eine zeitlich begrenzte Existenzgrundlage bilden könnte. Etwas anderes kann allenfalls in Ausnahmefällen gelten, etwa dann, wenn die vereinbarte Vertragslaufzeit zu einem Zeitpunkt endet, zu dem der Lizenzspieler nach den Transferbestimmungen nicht zu einem anderen Verein wechseln kann.“
Zusammenfassung:
Die Befristung des Arbeitsvertrags eines Lizenzspielers der ersten Fußballballbundesliga ist regelmäßig nach § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG im Hinblick auf die Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt.
*Sachverhalt und Entscheidungsgründe gekürzt