Kein Strafklageverbrauch der Staatsanwaltschaft – Kanzlei Schrade
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Kein Strafklageverbrauch durch Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft

OLG Hamm, Beschluss vom 10. März 2022 – 4 RVs 2/22 –

Aus dem Sachverhalt: 

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen A ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung sowie Beleidigung und Nötigung zum Nachteil des B eingeleitet.

Gegen diesen erfolgte am selben Tag ebenfalls eine Verfahrenseinleitung wegen des Verdachtes, A beleidigt zu haben. Durch staatsanwaltschaftliche Verfügung wurde das gegen A geführte Ermittlungsverfahren, nach einer hierfür zuvor eingeholten gerichtlichen Zustimmung, gemäß § 153 Abs. 1 S. 1 StPO eingestellt.

Das weitere Verfahren endete mit einer Einstellungsentscheidung entsprechend § 170 Abs. 2 StPO. Aufgrund der in diesem Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse nahm die Staatsanwaltschaft das zunächst nach § 153 Abs. 1 S. 1 StPO erledigte Verfahren jedoch wieder auf und erhob nachfolgend gegen A Anklage vor dem Strafrichter wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamten gleichstehende Personen, Beleidigung sowie falscher Verdächtigung zum Nachteil des B.

Das Amtsgericht ließ die Anklage nur bezüglich dieses Deliktes zur Hauptverhandlung zu, lehnte eine Verfahrenseröffnung im Übrigen aber ab. Begründet wurde dies damit, dass seinerzeit im Wege der eingeholten Zustimmung schon eine gerichtliche Überprüfung der weiteren Tatvorwürfe stattgefunden habe, weil hierbei auch der Akteninhalt geprüft worden sei. Zudem seien keine Gründe erkennbar, welche den Sachverhalt nun anders darstellten. Somit sei insoweit Strafklageverbrauch eingetreten. Die von der Staatsanwaltschaft gegen die Teilablehnung eingelegte sofortige Beschwerde hatte Erfolg, sodass das Hauptverfahren insgesamt vor dem Strafrichter eröffnet wurde.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten schließlich wegen sämtlicher angeklagter Taten. Mit einer von ihm hiergegen eingelegten Sprungrevision beanstandet der Angeklagte im Rahmen einer Verfahrensrüge, dass hinsichtlich des ursprünglich nicht zugelassenen Teils der Anklage Strafklageverbrauch eingetreten sei. Außerdem macht er mit mehreren Darlegungen die Sachrüge geltend. 

Aus den Gründen: 

„Die zulässige Revision ist unbegründet. 

Es kann dahinstehen, ob mit der Revision die Verfahrensrüge formgerecht erhoben worden ist. Denn die Frage des Strafklageverbrauchs hat der Senat von Amts wegen zu überprüfen (…). 

Vorliegend ist die Frage, ob Strafklageverbrauch durch die Einstellung gem. § 153 Abs. 1 StPO eingetreten ist, der Revision jedoch entzogen, nachdem das Landgericht der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Münster stattgegeben hat. Denn der Revision unterliegen keine gerichtlichen Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt wurden oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind, § 336 Satz 2 StPO. 

Das Landgericht Münster hat auf die gegen die teilweise Nichteröffnung des Verfahrens gerichtete sofortige Beschwerde einen Strafklageverbrauch durch Verfahrenseinstellung verneint und das Verfahren auch insoweit vor dem Amtsgericht eröffnet. Gemäß § 210 Abs. 1 StPO hat der Angeklagte kein Beschwerderecht gegen einen Eröffnungsbeschluss. Der Staatsanwaltschaft steht die sofortige Beschwerde nur gegen die Ablehnung der Eröffnung zu.

Mit dem Eröffnungsbeschluss entscheidet das Gericht darüber, ob hinreichender Tatverdacht vorliegt und Prozesshindernisse – wie der Strafklageverbrauch – nicht vorliegen. Da der stattgebende Eröffnungsbeschluss gem. § 210 StPO unanfechtbar ist und zudem auch das Landgericht die Frage des Strafklageverbrauchs ausdrücklich beschieden hat, ist sie der Revisionsüberprüfung nicht mehr zugänglich. 

Der Senat folgt überdies der Ansicht des Landgerichts, dass ein Strafklageverbrauch durch die Einstellung gem. § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht eingetreten ist. Denn die Zustimmung des Amtsgerichts zur Einstellung durch die Staatsanwaltschaft ist keine gerichtliche Entscheidung, sondern lediglich eine Prozesserklärung (…). Durch die Zustimmung des Gerichts soll lediglich die von Seiten der Staatsanwaltschaft befürwortete Ausnahme vom Legalitätsprinzip mitgetragen werden (…). Ohnehin werden solche Einstellungen erfahrungsgemäß in einem frühen Verfahrensstadium getroffen, in dem der Sachverhalt oftmals noch nicht abschließend aufgeklärt ist.

Die Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO vermag auch keinen Vertrauensschutz bei dem Angeklagten hervorzurufen, welcher eine Wiederaufnahme ausschließt. Anders als in den Fällen des § 153 Abs. 2 StPO erfolgt die Einstellung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO in einem Verfahrensstadium, in dem die Ermittlungen gerade noch nicht abgeschlossen sind.

Die Anregung erfolgt nicht durch das Gericht und eine wechselseitige Kontrolle ist mangels eines abschließend ermittelten Sachverhalts nicht möglich. Die Verfahrenseinstellung gem. § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO ist daher nicht – wie es die Revision vorträgt – mit einer solchen gem. § 153 Abs. 2 StPO vergleichbar, so dass auch der von der Revision gezogene Vergleich mit der Entscheidung BGH NJW 2004, 375 fehlgeht. 

Die vom Angeklagten erhobene Sachrüge hat keinen Erfolg (…)“ 

Zusammenfassung: 

Einer Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts gem. § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO kommt kein Strafklageverbrauch zu. 

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