Zu den Voraussetzungen der Aufklärungshilfe nach § 31 BtMG
BGH, Urt. v. 20.5.2021 − 6 StR 406/20 (LG Verden)
Aus dem Sachverhalt:
Der in Schweden lebende Angekl. lernte eine bislang nicht näher identifizierte Person namens „W“ kennen, die dem sich in Geldnöten befindlichen Angekl. anbot, für einen Kurierlohn von 100.000 Schwedischen Kronen (umgerechnet etwa 9.500 EUR) Drogen aus den Niederlanden nach Schweden zu befördern, wo sie gewinnbringend veräußert werden sollten. Der Angekl. erklärte sich zu der Kurierfahrt bereit und fuhr mit seinem Pkw in die Niederlande. Dort übernahm er 19,574 kg eines Amphetamingemisches (Wirkstoffgehalt: 8,74 kg Amphetaminbase), 6,7591 kg Haschisch (Wirkstoffgehalt: 1,412 kg THC) sowie 997,2 g eines Kokaingemisches (Wirkstoffgehalt: 768,8 g Kokainhydrochlorid) und trat sodann die Rückfahrt an. Kurz nach Überqueren der niederländisch-deutschen Grenze wurde er von Zollbeamten einer Kontrolle unterzogen, bei der die Betäubungsmittel aufgefunden und sichergestellt wurden. Das LG hat den Angekl. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der StA, die vom GBA vertreten wird, hat Erfolg.
Aus den Gründen:
Kriminalpolitisches Ziel von § 31 BtMG ist es, über die Aufklärungshilfe von in Rauschgiftdelikte verstrickten Tätern und Beteiligten in den illegalen Rauschgiftmarkt einzudringen und so die Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung begangener (Nr. 1) und der Verhinderung geplanter (Nr. 2) Straftaten zu verbessern. Aus Verteidigersicht ist insbesondere im Rahmen der Beratung zu beachten, dass nur solche Angaben rechtzeitig im Sinne dieser Vorschrift sind, die nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens jedoch noch vor der Beschlussfassung über die Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart werden.
(…) Die Revision der StA hat Erfolg. Bereits die Strafrahmenwahl begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Strafkammer hat ihrer Strafbemessung den gem. § 31 1 Nummer 1 BtMG iVm § 49 Absatz 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Absatz 1 BtMG zugrunde gelegt.
Ihre Annahme, der Angekl. habe mit Angaben zu seinem Auftraggeber Aufklärungshilfe iSd § 31 1 Nummer 1 BtMG geleistet, hält indes rechtlicher Prüfung nicht stand.
(…) Zwar setzt die Annahme eines wesentlichen Aufklärungserfolgs iSd Vorschrift weder den Erlass eines Haftbefehls gegen die von dem Täter belastete Person noch deren Verurteilung oder Festnahme voraus (…).
Erforderlich ist aber, dass der Täter – noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens – die von ihm belastete Person so genau bezeichnet hat, dass diese identifiziert und zur Festnahme ausgeschrieben werden könnte (…).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn im maßgeblichen Zeitraum vor Eröffnung des Hauptverfahrens hat der Angekl. zur Person seines Auftraggebers lediglich angegeben, bei diesem handele es sich um einen „flüchtigen Bekannten“, der früher einmal in einer „Autohalle“ gearbeitet habe, ihm nach einem zufälligen Treffen in Helsingborg die Durchführung der Kurierfahrt angetragen habe und ihm nur mit dem Vornamen „W“ bekannt sei.
Diese rudimentären Angaben des Angekl. zur Person seines Auftraggebers enthalten lediglich eine unzureichende Täterbeschreibung, die den Anforderungen an einen Aufklärungserfolg iSd § 31 1 Nummer 1 BtMG nicht gerecht wird (…). Insbesondere genügen sie – was die Strafkammer im Grundsatz nicht verkannt hat – nicht, um eine Identifizierung der vom Angekl. belasteten Person und deren Ausschreibung zur Festnahme zu ermöglichen.
Es führt auch – entgegen der Ansicht der Strafkammer – zu keiner anderen Bewertung, dass der Angekl. im Ermittlungsverfahren eingeräumt hat, ein bei ihm sichergestelltes Mobiltelefon der Marke Nokia sei ihm von dem „W“ für die Durchführung der Tat zur Verfügung gestellt worden, und dass „W“ als Kontakt im eigenen Mobiltelefon des Angekl. gespeichert war. Warum diese Umstände für die Identifizierung des Auftraggebers von Relevanz sein sollten, wird von der Strafkammer nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt und erschließt sich auch im Übrigen nicht, zumal in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils mitgeteilt wird, dass die Auswertung des Nokia- Mobiltelefons unter der vom Angekl. hiermit angerufenen Mobilfunknummer gerade nicht zu einem verifizierbaren Nutzer führte.
Soweit der Angekl. in der Hauptverhandlung weitere Angaben gemacht und dort unter anderem den vollständigen Namen sowie den polnischen Wohnort des „W“ benannt, eine detaillierte Personenbeschreibung abgegeben und eingeräumt hat, in der Vergangenheit in näherem Kontakt zu „W“ gestanden zu haben, sind diese präkludiert (§ 31 S. 3 BtMG iVm § 46b Absatz 3 StGB).
Zusammenfassung:
Zwar setzt die Annahme eines wesentlichen Aufklärungserfolgs im Sinne dieser Vorschrift weder den Erlass eines Haftbefehls gegen die von dem Täter belastete Person noch deren Verurteilung oder Festnahme voraus. Erforderlich ist aber, dass der Täter – noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens – die von ihm belastete Person so genau bezeichnet hat, dass diese identifiziert und zur Festnahme ausgeschrieben werden könnte.