Zutrittsrecht nach Auszug des Ehegatten?
OLG Bremen, Beschluss vom 22. August 2017 – 5 WF 62/17
Die Ehegatten leben getrennt und betreiben das Scheidungsverfahren.
Sie sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer des von dem Antragsgegner genutzten Hausgrundstückes, hinsichtlich dessen ein von dem Antragsgegner eingeleitetes Trennungsversteigerungsverfahren beim Amtsgericht anhängig ist. Die Antragstellerin hat einen Makler mit der Veräußerung der Immobilie beauftragt, diesem verweigert der Antragsgegner allerdings den Zutritt zu der Immobilie.
Mit einem Antrag beim Familiengericht versucht die Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten, dem von ihr beauftragten Immobilienmakler und den ihn begleitenden Personen den Zugang zu der Immobilie einschließlich der Besichtigung aller Räume zu ermöglichen.
Sie trägt vor, dass der Antragsgegner in der Vergangenheit den von ihr geforderten Verkauf der Immobilie zum seinerzeit festgestellten Marktwert abgelehnt habe. Allerdings zeige die Einleitung des Teilungsversteigerungsverfahrens durch den Antragsgegner, dass nunmehr offenbar die Bereitschaft bestehe, die Immobilie zu veräußern. Die Antragstellerin habe daher einen Makler beauftragt, um für die Immobilie im Wege des freihändigen Verkaufs einen höheren Erlös zu erzielen und zudem die Kosten einzusparen, die mit der Durchführung des Teilungsversteigerungsverfahrens verbunden sein. Als Miteigentümerin sei sie zum Betreten der Immobilie, auch mit Dritten, berechtigt. Dem Makler den Zutritt zu verweigern sei treuwidrig.
Der Antrag hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
Grundsätzlich steht jedem Miteigentümer ein Mitbenutzungsrecht zu
Im Ausgangspunkt stellt das Gericht fest, dass grundsätzlich jeder Miteigentümer nach § 743 Abs. 2 BGB ein Mitbenutzungsrecht habe. Allerdings sei es zwischen den Beteiligten ersichtlich im Zuge der Trennung zu einer Neuregelung der Nutzung der Immobilie dergestalt gekommen, dass diese fortan alleine von dem Antragsgegner bewohnt werde. Vor diesem Hintergrund bestehe kein uneingeschränktes Zutrittsrecht der Antragstellerin mehr. Vielmehr habe ein Ehegatte, der das im Miteigentum stehende Hausgrundstück endgültig verlassen habe, kein Recht auf Gewährung von Zutritt zu der Immobilie für sich oder Dritte ohne Vorliegen eines besonderen Grundes. Ohne einen solchen Grund stelle das Betreten und die Besichtigung der vormals gemeinsam genutzten Ehewohnung durch den ausgezogenen Miteigentümer eine von dem in der Immobilie verbliebenen Miteigentümer nicht hinzunehmende Verletzung seiner nach Art. 13 GG geschützten Privatsphäre dar.
Betreten nach Auszug nur bei besonderem Grund
Ob ein besonderer Grund in diesem Sinne auch vorliegen könne, wenn es um den Wunsch nach Besichtigung durch Bietinteressenten während des Trennungsversteigerungsverfahrens gemäß § 753 BGB gehe, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.
Allerdings bedurfte diese Frage im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil es der Antragstellerin gerade nicht um eine Besichtigung während des von dem Antragsgegner eingeleiteten Teilungsversteigerungsverfahrens ging, sondern um die Besichtigung zum Zwecke der Vorbereitung eines freihändigen Verkaufes der Immobilie.
Nach Auffassung des Gerichts fehlte es vorliegend an einem besonderen Grund, da der von der Antragstellerin geplante freihändige Verkauf der Immobilie von vornherein an der ablehnenden Haltung des Antragsgegners scheitern würde. Diese Haltung könne auch nicht als treuwidrig angesehen werden, da keine Verpflichtung bestehe, zur Vermeidung einer Teilungsversteigerung einer einvernehmlichen Lösung zuzustimmen. Das Gesetz sehe zwar einen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft gemäß §§ 749 ff. BGB vor, jedoch keinen Anspruch des Miteigentümers auf freihändigen Verkauf.
Zusammenfassung:
- Ein Ehegatte, der das im Miteigentum stehende Hausgrundstück endgültig verlassen hat, hat kein Recht auf Gewährung von Zutritt zu der Immobilie für sich oder Dritte ohne Vorliegen eines besonderen Grundes.
- Der Wunsch nach Besichtigung durch einen Makler und weitere Personen mit dem Ziel des freihändigen Verkaufs der Immobilie stellt keinen besonderen Grund diesem Sinne dar, wenn der in der Immobilie verbliebene Ehegatte einen freihändigen Verkauf ablehnt und stattdessen die Teilungsversteigerung betreibt.