Zur Fristsetzung bei Beweisanträgen
BGH, Beschluss vom 10. Januar 2024 – 6 StR 276/23 –
Aus dem Sachverhalt:
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt den Angeklagten zum einen zur Last, vom 3. bis 5. November 2018 aus einem Warenlager 119 Paletten „Nivea-Deo-Ware“ im Gesamtwert von etwa 570.000 Euro unter Verwendung des Lkw des Angeklagten S. entwendet zu haben (Fall 1 der Anklage). Zum anderen wird den Angeklagten S. und Y. vorgeworfen, mit unbekannten weiteren Mittätern vom 1. bis 3. Dezember 2018 aus einer anderen Lagerhalle 90 Paletten Lebensmittel im Gesamtwert von etwa 247.000 Euro unter Einsatz am Tatort vorhandener Gabelstapler und des Lkw des Angeklagten S. entwendet zu haben (Fall 2 der Anklage).
Das Landgericht hat die Anklagevorwürfe als erwiesen angesehen und festgestellt, dass die Beschwerdeführer das Stehlgut in beiden Fällen der Urteilsgründe mittels des genannten sowie eines weiteren Lkw abtransportierten. Die Hauptverhandlung fand ab dem 8. Februar 2022 statt. Der Vorsitzende der Strafkammer setzte am 20. Juni 2022 (11. Hauptverhandlungstag) den Verfahrensbeteiligten eine Frist bis 11. Juli 2022, Beweisanträge zu stellen. Diese Anordnung wurde auf Initiative der Verteidigung mehrfach, zuletzt bis 6. September 2022 verlängert. An diesem Tag (15. Hauptverhandlungstag) beantragte der Verteidiger des zur Sache schweigenden Angeklagten Y. , ein Sachverständigengutachten einzuholen. Dieses werde beweisen, dass der Abtransport des Stehlguts von 90 Paletten im Fall 2 vor dem Hintergrund zweier durch GPS-Daten ausgewiesener Standzeiten des Lkw des Angeklagten S. in unmittelbarer Tatortnähe und mit Blick auf das sachverständig zu bestimmende Ladevolumen „nicht möglich“ gewesen sei; mit den der Anklage zugrundeliegenden drei Fahrten hätten mit diesem Lkw allenfalls 34 Paletten abtransportiert werden können. Dem schloss sich der Verteidiger des die Tat bestreitenden Angeklagten S. an. Die Strafkammer lehnte den Antrag am 4. Oktober 2022 (16. Hauptverhandlungstag) wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels ab (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO).
Nach Ablauf der vom Vorsitzenden gesetzten Frist stellte der Verteidiger des Angeklagten Y. am 3. November 2022 (17. Hauptverhandlungstag) drei Beweisanträge, denen sich der Angeklagte S. wiederum anschloss. Diese zielten namentlich auf eine mittels Sachverständigengutachten vorzunehmende Bestimmung der genauen Standorte des Lkw sowie von Lagergröße und Lagerort des Stehlguts ab. Zur Begründung führten sie jeweils aus, dass die Strafkammer in ihrem Beschluss vom 4. Oktober 2022 Anknüpfungstatsachen vermisst habe. Die nunmehr begehrten Beweiserhebungen seien für die Frage der Geschwindigkeit des Beladens von Bedeutung.
Am folgenden Sitzungstag gab der Vorsitzende bekannt, dass die Strafkammer diese Anträge erst im Urteil bescheiden werde. Dies beanstandete der Verteidiger des Angeklagten Y. und führte insbesondere aus, dass die Strafkammer mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 für Fall 2 der Anklage erstmals den möglichen Einsatz mehrerer Lkw aufgezeigt habe und sich dies im Vergleich zur Anklageschrift, die von nur einem Fahrzeug ausgegangen sei, als „deutliche Abweichung“ darstelle. Erst daran anschließend sei es möglich gewesen, die nunmehr behaupteten Tatsachen unter Beweis zu stellen. Die Strafkammer wies die Beanstandung zurück und lehnte die Anträge in den schriftlichen Urteilsgründen wegen Bedeutungslosigkeit ab (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO).
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, den Angeklagten Y. wegen Diebstahls in zwei Fällen und den Angeklagten K. wegen Diebstahls schuldig gesprochen. Den Angeklagten S. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, den Angeklagten Y. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie den Angeklagten K. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es gegen S. die Einziehung von Tatmitteln und – als Gesamtschuldner auch gegen den Angeklagten Y. – die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten S. und Y. haben den jeweils aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie – ebenso wie das Rechtsmittel des Angeklagten K. – unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Aus den Gründen:
„. Die Ablehnung des auf Rekonstruktion des Tatgeschehens gerichteten Beweisbegehrens vom 6. September 2022 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
Es liegt schon kein Beweisantrag vor (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ein solcher erfordert die Behauptung einer bestimmten Beweistatsache. Dies setzt voraus, dass der tatsächliche Vorgang oder der Zustand bezeichnet wird, der mit dem benannten Beweismittel unmittelbar belegt werden kann. Nicht ausreichend ist die Benennung eines Beweisziels, also der Folgerung, die das Gericht nach Auffassung des Antragstellers aus von ihm nicht näher umschriebenen tatsächlichen Vorgängen oder Zuständen ziehen soll (…). Ob der Antragsteller eine hinreichend konkrete Beweisbehauptung aufstellt, ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Dies gilt insbesondere für einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens; denn insoweit ist der Antragsteller vielfach nicht in der Lage, die seinem Beweisziel zugrundeliegenden Vorgänge oder Zustände exakt zu bezeichnen (…).
Hier erschöpfte sich der Antrag im Wesentlichen in der Mitteilung des Beweisziels, dass die Tat nicht wie angeklagt habe durchgeführt werden können.
Zwar enthielt seine Begründung weitergehende Angaben zur Fundierung des Beweisvorbringens, etwa zu zwei konkreten Zeitfenstern als Standzeiten des Lkw in Tatortnähe. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Erklärung und der in der Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände war diese Erklärung auch dahin auszulegen, dass es sich um sechs durch GPS-Daten belegte Standzeiten des Lkw in Tatortnähe handeln sollte. Da der Antragsteller die unter Beweis gestellte Unmöglichkeit der Tatbegehung aber nicht allein an das Ladevolumen eines Tatfahrzeugs, sondern allgemein an ein „Verbringen“ des Stehlguts anknüpfte, hätte er zumindest ansatzweise deutlich machen müssen, an welchen Punkten die Bestätigung der Beweisbehauptung festgemacht wird, etwa betreffend Verlade-, Wege- und Transportzeiten. Insbesondere war die Mitteilung der konkreten Lagergröße und der genauen Lagerorte des Stehlguts dem Antragsteller hier weder unmöglich noch unzumutbar (…). Mit Bedacht auf den konkreten Anklagesatz, der von einer Tatbegehung durch die beiden Beschwerdeführer mit weiteren Beteiligten ausgeht, wäre der Antragsteller schließlich auch gehalten gewesen, im Antrag zumindest die Anzahl der aus seiner Sicht in das „Verbringen“ eingebundenen Beteiligten zu konkretisieren, um deutlich zu machen, aufgrund welcher konkreter Umstände der Anklagevorwurf durch die Beweiserhebung falsifiziert werden soll.
Die inmitten stehende Ablehnung des daher an § 244 Abs. 2 StPO zu messenden Antrags, der auf eine Ermittlung hypothetischer Tatabläufe gerichtet war, weist – auch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts – keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer auf. Vor dem Hintergrund der mehrstündigen Standzeiten des Lkw des Angeklagten S. am Tatort und erst recht mit Blick auf die Videoaufzeichnungen zu Fall II.1 der Urteilsgründe, die für eine nur wenige Wochen zuvor begangene vergleichbare Tat sowohl den Einsatz des Fahrzeugs des Angeklagten S. sowie eines weiteren Lkw belegten, musste sich dem Landgericht die begehrte Beweiserhebung nicht aufdrängen.
Die 3. Die Strafkammer hat durch die Bescheidung der drei nach Fristablauf gestellten Anträge in den Urteilsgründen § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO nicht verletzt.
Der Vorsitzende hat die Frist nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO wirksam gesetzt. Hierfür war – entgegen dem Revisionsvorbringen – der konkrete Verdacht einer Verschleppungsabsicht nicht erforderlich. Der Senat schließt sich der Ansicht und Begründung des 3. Strafsenats an (…).
Der Beschwerdeführer beanstandet zudem ohne Erfolg, dass der Vorsitzende seine Anordnung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO nicht begründet hat. Bei der Fristbestimmung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO handelt es sich um eine Prozesshandlung des Vorsitzenden in Ausübung seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1 StPO), für die weder Gesetzeswortlaut noch systematische Erwägungen eine Begründung verlangen. Anderes folgt auch nicht aus § 34 StPO, weil die Anordnung nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar ist. Schließlich ergibt die Entstehungsgeschichte der Norm keine Anhaltspunkte für eine Begründungspflicht. Die Regelungen des § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO wurden mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) – damals als Sätze 2 bis 4 – geschaffen. Der zugrundeliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 18/11277) enthält keine Ausführungen zu einem etwaigen Begründungserfordernis. Im Gegenteil lässt sich dem Reformgesetz die Bestrebung entnehmen, dem Vorsitzenden nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme die Bestimmung einer Frist für die Stellung weiterer Beweisanträge gerade zum Zwecke einer effizienten Verfahrensführung zu ermöglichen. Eine in jedem Fall notwendige Begründung liefe der erstrebten zügigen Verfahrensweise zuwider. Diese Auslegung korrespondiert mit der Tatsache, dass die Fristbestimmung an keine begründungsbedürftigen prozessualen Voraussetzungen oder Anlässe, etwa Anhaltspunkte für Verfahrensverschleppung, geknüpft ist (…). Schließlich sind Ausführungen dazu, dass im Zeitpunkt der Anordnung die von Amts wegen vorgesehenen Beweiserhebungen abgeschlossen sind, ebenfalls nicht veranlasst. Denn die Fristsetzung ist erst ab diesem Verfahrensstand möglich. Mit ihr kommt stets zugleich zum Ausdruck, dass aus Sicht des Vorsitzenden der Amtsaufklärungspflicht genügt worden ist (…).
Dies entspricht im Übrigen den für sitzungsleitende Anordnungen allgemein geltenden rechtlichen Maßgaben (§ 238 Abs. 1 StPO). Bei diesen werden Vorsitzenden vielfach Freiräume in der Gestaltung zugebilligt (…), deren Nutzung im Interesse einer straffen Durchführung der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht schriftlich zu begründen ist.
Vor diesem Hintergrund ist eine Begründung auch aus Fairnessgründen nicht geboten. Die Verfahrensbeteiligten können mittels des Zwischenrechtsbehelfs gemäß § 238 Abs. 2 StPO jederzeit eine gerichtliche Überprüfung erwirken, die im Falle der Bestätigung der Anordnung zu begründen ist. Anders als etwa bei der Zurückweisung von Fragen nach § 241 StPO (…), kann sich insbesondere der verteidigte Angeklagte bei § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO überdies auch ohne Begründung auf die neue Prozesslage einstellen. Aus denselben Erwägungen muss schließlich auch die Dauer der bestimmten Frist regelmäßig nicht begründet werden (…). Dies gilt erst recht, wenn sich diese erkennbar an der Frist des § 217 StPO oder aber, im Ausnahmefall, an der gesetzlichen Höchstdauer einer Unterbrechung nach § 229 Abs. 1 StPO orientiert.
Die Beschwerdeführer dringen auch mit der weiteren Beanstandung nicht durch, sie seien bei der Bestimmung der Frist nicht auf die Rechtsfolgen einer nach Fristablauf erfolgten Antragstellung hingewiesen worden. Eine Hinweis- oder gar Belehrungspflicht liegt schon mit Blick auf hierfür fehlende Anhaltspunkte in Wortlaut und Systematik der Vorschrift fern. Sie ist jedenfalls beim verteidigten Angeklagten nicht geboten. Der rechtskundige Verteidiger wird – wie hier – die entsprechende Sachleitungsverfügung des Vorsitzenden kritisch am Gesetzeswortlaut überprüfen und sie gegebenenfalls beanstanden (§ 238 Abs. 2 StPO; …). Abgesehen davon hat der Vorsitzende den Angeklagten vor Schluss der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1 Satz 1 StPO) die gerichtliche Entscheidung mitgeteilt, dass die drei nach Fristablauf gestellten Beweisanträge im Urteil beschieden werden würden.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO) im Zeitpunkt der Fristbestimmung abgeschlossen war, weil dies nicht beanstandet wurde. Eingedenk der im Übrigen präzise bezeichneten Verfahrensbeanstandungen und des insoweit vollständigen Vortrags der rügebegründenden Tatsachen schließt der Senat aus, dass die Beschwerdeführer auch eine Rüge mit der bezeichneten Angriffsrichtung erheben wollten. Ihm wäre im Übrigen eine dahingehende Prüfung deshalb unmöglich, weil nicht mit der notwendigen Bestimmtheit (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) ausgeführt wird, dass die Beweisaufnahme zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich nicht abgeschlossen gewesen wäre. Unabhängig davon könnte der Senat der überwiegenden Ansicht im Schrifttum nicht beitreten, die dafür auch die Bescheidung sämtlicher gestellter Beweisanträge als notwendig ansieht (…).
Bereits der Gesetzeswortlaut gibt Anlass zu einer zumindest differenzierten Sichtweise. Anders als bei § 258 Abs. 1 StPO (…) ist nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO der Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme maßgeblich. Damit ist gesetzlich ein tragfähiger Anhalt dafür gegeben, hierfür allein den durch § 244 Abs. 2 StPO verlangten gerichtlichen Beweis zu verstehen. Verdeutlicht wird dies überdies durch das Partizip „vorgesehen“; hierdurch wird die Erledigung des durch den Vorsitzenden bereits zu Beginn des Hauptverfahrens (vgl. § 214 Abs. 1 und 2, §§ 221, 222 StPO) geplanten und strukturierten (…), oder aber in späterer Prozesslage modifizierten Beweisprogramms (…) in Bezug genommen.
Dieses restriktive Begriffsverständnis wird durch das Ergebnis einer gesetzessystematischen Betrachtung bestätigt. Im Anschluss an § 243 StPO regelt § 244 Abs. 1 StPO den weiteren Ablauf der Hauptverhandlung, in der das Gericht – in den Grenzen des § 244 Abs. 2 StPO – mit den zulässigen Beweismitteln des Strengbeweises die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung schafft. Hingegen behandelt § 244 Abs. 3 bis 5 StPO, auf welche Art und Weise und in welchem Umfang die Verfahrensbeteiligten auf das gerichtliche Beweisprogramm Einfluss nehmen und einen geltend gemachten Beweiserhebungsanspruch durchsetzen können. Ein Antrag nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO kann als Prozesserklärung eines Verfahrensbeteiligten eine Beweiserhebung über das vom Gericht für erforderlich und ausreichend Gehaltene (§ 244 Abs. 2 StPO) hinaus erzwingen. Der noch nicht beschiedene oder abgelehnte Antrag selbst ist allerdings weder in formeller noch in materieller Hinsicht Teil der Beweisaufnahme.
Für dieses Verständnis der Norm sprechen auch ihr Sinn und Zweck. Bei der teleologischen Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO dem Tatgericht ermöglichen soll, nach Durchführung der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme den Abschluss des Verfahrens zügig herbeizuführen (…). Dieser Zweck würde konterkariert, wenn die Verfahrensbeteiligten die Fristbestimmung durch sukzessives Anbringen von Beweisanträgen (…) vereiteln könnten (…). Dass diese Besorgnis eines verzögerten Verfahrensabschlusses in einer vorangerückten Prozesslage nicht etwa fernliegt, vermag der Senat auch den hier von der Revision mitgeteilten Tatsachen zu entnehmen. In ihrem Beschluss vom 29. Juli 2022 stellte die Strafkammer dar, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers S. auf Nachfrage angegeben habe, „er könnte bereits vorbereitete Beweisanträge stellen, werde dies aber ggf. auch erst später tun“.
Das Landgericht ist schließlich auch ohne Rechtsfehler zu der Auffassung gelangt, dass eine fristgerechte Antragstellung nicht gemäß § 244 Abs. 6 Satz 4 Halbsatz 2 StPO unmöglich war.
Stellt ein Verfahrensbeteiligter nach Fristablauf einen Beweisantrag, sind mit diesem die Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, welche die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben (§ 244 Abs. 6 Satz 5 StPO).
Dem wird der in den Beweisanträgen enthaltene Tatsachenvortrag nicht gerecht.
Zusammenfassung:
- Die Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO soll dem Tatgericht ermöglichen, nach Durchführung der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme den Abschluss des Verfahrens zügig herbeizuführen, wobei es nicht auf eine Verschleppungsabsicht ankommt.
- Die Frist zur Anbringung von Beweisanträgen nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO kann ohne Begründung gesetzt werden.
- Der noch nicht beschiedene oder abgelehnte Antrag selbst ist weder in formeller noch in materieller Hinsicht Teil der von Amtswegen vorgesehenen Beweisaufnahme im Sinne des § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO.
- Die Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO berührt nicht die Möglichkeit, Beweisanträge zu stellen, über die das Gericht befinden muss.