Kein Schaden durch Verjährung einer Forderung gegen zahlungsunfähigen Schuldner
OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.4.2019 – 5 U 91/18
Aus dem Sachverhalt
Die Kl. nahmen den beklagten Rechtsanwalt in Regress für verjährte Gewährleistungsansprüche gegen die Firma A iHv 8.150,63 Euro.
Im Jahr 2007 beauftragten die Kl. die Firma A mit der Erneuerung der Terrassenanlage an ihrem Hausgrundstück in D. Durch eine unzureichende Aufkantungshöhe im Bereich der Fensteranlage sowie nicht fachgerecht hergestellte Anschlüsse bzw. Übergänge zwischen der Abdichtung der Hauswand und der Bodenplatte der Terrasse kam es zum Wassereintritt im Untergeschoss des Hauses. Der Bekl. war mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen beauftragt. Er leitete im Jahr 2008 zunächst ein selbständiges Beweisverfahren ein, das die Mangelhaftigkeit der Werkleistung bestätigte. Die Versicherung der A leistete entsprechend der damaligen Forderungen der Kl. einen Betrag von insgesamt 7.987,81 Euro, wobei hiermit die Feuchtigkeitsschäden am Haus abzüglich eines Selbstbehalts von 500 Euro ausgeglichen worden sein sollen. Die Kl. ließen die Mängelbeseitigungsarbeiten nach Rücksprache mit dem Bekl. sodann durch die Firma H ausführen. Die verbleibenden, streitgegenständlichen Kosten iHv 8.150,63 Euro sollen sich auf die Beseitigung der Schäden an der Terrassenanlage sowie den Selbstbehalt beziehen sowie den Selbstbehalt von 500 Euro beinhalten.
Am 31.10.2010 teilten die Kl. dem Bekl. mit, dass die Mängelbeseitigungsarbeiten abgeschlossen seien. Dieser erwirkte aus zwischen den Parteien streitigen Umständen keinen Zahlungstitel gegen die Werkunternehmerin. Die Kl. haben ihre Regressansprüche darauf gestützt, der Bekl. habe trotz mehrmaliger ausdrücklicher Bitten durch sie bzw. ihren Sohn keine Klage gegen die Werkunternehmerin erhoben und durch seine fortgesetzte Untätigkeit die Verjährung der Forderung herbeigeführt. Der Bekl. hat behauptet, weitere Ansprüche als in Höhe der bereits bezahlten 7.987,81 Euro seien seinerzeit nicht erhoben worden. Nur der Selbstbehalt von 500 Euro und ein weiterer Selbstbehalt von 150 Euro an Anwaltskosten nach Inanspruchnahme der Rechtsschutzversicherung hätten noch geltend gemacht werden sollen. Die Notwendigkeit der vollständigen Erneuerung des Terrassenbelags bestreite er, da sich dies aus dem eingeholten Gutachten nicht ergebe. Zudem sei die Schuldnerin Frau A mittellos gewesen und habe ein Insolvenzverfahren durchgeführt. Er habe damals die Information erhalten, dass Frau A mittellos sei, 22.000 Euro Schulden angehäuft habe und ein Insolvenzverfahren anstrebe. Dies habe er den Kl. erläutert und dazu geraten, wegen fehlender Vollstreckungsaussichten keine weiteren Schritte zu unternehmen. Damit seien die Kl. einverstanden gewesen.
Das LG Düsseldorf (Urt. v. 18.4.2018 – 6 O 427/14) hat der Klage nach Beweisaufnahme in der Hauptsache stattgegeben und diese lediglich im Hinblick auf Nebenforderungen teilweise abgewiesen. Die Berufung des Bekl. führte zur Abweisung der Klage.
Aus den Gründen
Durch den mit einem Mandanten geschlossenen Vertrag verpflichtet sich ein Rechtsanwalt zu einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB. Für den Fall, dass der Anwalt Pflichten, die sich aus diesem Vertrag ergeben, verletzt, kommt unter bestimmten Voraussetzungen ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Rechtsanwalt nicht die Verjährung einer Forderung des Mandanten verhindert und dieser hierdurch einen Schaden erleidet.
Im vorliegenden Fall konnte solches nicht festgestellt werden:
„(…) Ein Anspruch der Kl. auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung aus §§ 280 I, 611, 675 BGB ist nicht feststellbar. Bereits für eine von den Kl. darzulegende Verletzung anwaltlicher Pflichten bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte. Eine Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten kann grundsätzlich in der unzureichenden Sicherung von Ansprüchen der Kl. gegen Verjährung bzw. in der Nichtbefolgung ausdrücklicher Anweisungen der Kl. zum Erstreiten eines Titels liegen. Unstreitig war der Bekl. von beiden Kl. mit der Geltendmachung von werkvertraglichen Ansprüchen gegen die Firma A beauftragt. Dies beinhaltet auch ohne ausdrückliche Anweisung das Bewirken verjährungsverhindernder Maßnahmen (…).
Dies gilt selbst dann, wenn die Vollstreckung zum damaligen Zeitpunkt ohnehin nicht erfolgversprechend gewesen sein sollte, denn der Anwalt hat grundsätzlich den sichersten Weg zu wählen. Da nicht auszuschließen war, dass sich die Vollstreckungsaussichten künftig bessern, wären sichernde Maßnahmen dennoch grundsätzlich (ggf. nach Kostenabwägung) zweckmäßig und durchzuführen gewesen. (…) Die Kl. stützten ihren Anspruch darauf, der Bekl. habe dies nicht rechtzeitig getan und durch seine Untätigkeit die Verjährung herbeigeführt. Die Pflicht zum Tätigwerden setzt dabei nicht erst zum Eintritt der Verjährung selbst ein, sondern in der Regel spätestens dann, wenn der Rechtsanwalt Dispositionen trifft, die das Risiko der Verjährung erhöhen oder bei einem risikoerhöhenden Unterlassen (…).“
Die Pflichten eines Anwalts enden aber grundsätzlich mit der Beendigung des Mandats; zum Beispiel auch dadurch, dass der Mandant schlüssig durch Beauftragung eines neuen Anwalts die Kündigung des alten Mandatsverhältnisses erklärt:
„Die vertraglichen Pflichten enden jedoch grundsätzlich mit Beendigung des Mandats. Die konkludent erklärte Kündigung des Mandats ist (auf Grundlage von § 627 BGB) in der Bestellung des jetzigen Prozessbevollmächtigen durch die Kl. und in der Geltendmachung von Regressansprüchen mit Schreiben vom 24.6.2013 zu sehen. Hierin kommt aus Sicht des Bekl. unzweifelhaft zum Ausdruck, dass die Kl. ihm das Vertrauen entziehen wollten und insbesondere aufgrund der (vermeintlich) verursachten Verjährung keine weitere Vertretung für notwendig hielten oder wünschten. Aufgrund des fehlenden Vortrags des Kl. zum Verjährungsbeginn kann jedoch vorliegend nicht beurteilt werden, ob und gegebenenfalls mit welchem zeitlichen „Puffer“ die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch lief, so dass sich das vorherige Zuwarten des Bekl. (ungeachtet des von ihm behaupteten Einvernehmens mit den Kl.) als risikoerhöhend und pflichtwidrig dargestellt hätte.“
Sodann folgen Ausführungen des Gerichts, unter welchen Voraussetzungen ein Bauwerk vorliegt. Es geht bei der streitgegenständlichen Terrassenanlage von einem Bauwerk aus, so dass die fünfjährige Verjährungsfrist gem. § 634a I Nr. 2 BGB maßgeblich war. Es folgen Ausführungen zu der umstrittenen Frage, ob diese Frist auch für solche Gewährleistungsansprüche vor/ohne Abnahme gilt und wann der Verjährungslauf beginnt. Im Ergebnis:
(…) „Die fünfjährige Verjährung wäre demnach vom (hypothetisch angenommenen) Verjährungsbeginn am 20.8.2008 bis zum Ende der Hemmung am 12.3.2009, also für sechs Monate und 23 Tage gehemmt gewesen und verlängert das Verjährungsende dadurch bis zum 12.3.2014 (vormals 20.8.2013). Bei Mandatsbeendigung spätestens am 24.6.2013 hätte damit noch ausreichend Zeit zur Einleitung verjährungshemmender oder -unterbrechender Maßnahmen bestanden.“
Ohne, dass es letztlich entscheidend darauf ankam, äußert sich dann das Gericht zum Fehlen eines Schadens. Denn ein Schaden im Zusammenhang mit der Nichtgeltendmachung einer Forderung liegt nur vor, wenn im Falle der Geltendmachung auch tatsächlich eine Leistung erfolgt wäre; ansonsten war die Forderung wirtschaftlich betrachtet wertlos. Spannend ist die Frage, wer in diesem Falle die Wertlosigkeit darlegen und ggfs. beweisen muss:
(…) „Jedenfalls aber fehlt es mit den zutreffenden Ausführungen der Berufungsbegründung am Vortrag eines kausalen Schadens. Der diesbezüglichen Auffassung des LG zur Darlegungs- und Beweislast kann nicht gefolgt werden. Ein Mandant, der infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens seines Rechtsanwalts eine Forderung verliert, erleidet einen Schaden im Rechtssinne nur, wenn er bei sachgerechtem Vorgehen des Rechtsanwalts Leistungen erhalten hätte. Trifft dies nicht zu, ist die verlorene Forderung wertlos. In einem solchen Fall kommt die Verurteilung des Rechtsanwalts auf Zahlung von Schadensersatz nicht in Betracht (…). Das LG ist unter diesem Gesichtspunkt unzutreffend von der vollen Darlegungslast des Bekl. für die fehlenden Erfolgsaussichten einer Vollstreckung ausgegangen.
Der in Regress genommene Bekl. muss nicht in allen Einzelheiten den Nachweis führen, dass der Anspruchsgegner zahlungsunfähig gewesen wäre; vielmehr ist seine Verteidigung schon dann erheblich, wenn er Umstände dargelegt hat, die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit begründen können; zu Nachforschungen ist er nicht verpflichtet (…). Dem ist der Bekl. vorliegend nachgekommen. Er hat diverse Umstände vorgebracht, die konkrete Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Frau A weckten, nämlich dass (insoweit unbestritten) Frau A einen Ratenzahlungsvorschlag unterbreitet hatte, der Bevollmächtigte der Frau A, Rechtsanwalt Z, mitgeteilt hatte, diese sei mittellos und strebe ein Insolvenzverfahren an, sowie dass er – der Beklagte – die Information erhalten hatte, Frau A werde von einer Insolvenzberatungsstelle beraten und habe neben der Forderung der Mandanten Schulden von 22.000 Euro. Die Kl. selbst haben zudem selbst vorgerichtlich mitgeteilt (mit E-Mail vom 27.10.2008), sie hätten erfahren, dass das Unternehmen A nicht mehr existieren solle.
Es lagen mithin ausreichende Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin begründeten. Darauf, ob ein Insolvenzverfahren beantragt und durchgeführt wurde, kommt es nicht an. Für die Darlegung eines dennoch entstandenen Schadens genügt es auch nicht, dass sich die Vollstreckungsaussichten möglicherweise zukünftig hätten bessern können. Zwar erscheint es durchaus nicht fernliegend, dass sich die Vermögenssituation der Schuldnerin im Zeitraum der 30-jährigen Verjährungsfrist nach Erwirken eines Titels irgendwann einmal verbessert hätte. Hierbei handelt es sich jedoch um eine völlig ungewisse Zukunftsaussicht, die einen sicher feststellbaren Schaden zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu begründen vermag.“
Zusammenfassung:
- Der Mandant erleidet durch das Verjähren einer Forderung gegen einen zahlungsunfähigen Schuldner keinen Schaden.
- Der wegen unzureichender Vorkehrungen gegen die Verjährung auf Schadensersatz in Anspruch genommene Rechtsanwalt muss zu seiner Verteidigung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht voll beweisen.