Abgasskandal
Rücktritt vom Kaufvertrag
OLG München, Urteil vom 3. Juli 2017 – 21 U 4818/16
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 25. August 2014 im Audi-Zentrum Ingolstadt einen gebrauchten Audi A3 die DI mit Dieselmotor zum Preis von 18.550 €. Nach den Fahrzeugdaten fällt dieses Fahrzeug unter das „Abgaskonzept EU 5“, wonach der Wagen pro Kilometer Fahrtstrecke höchstens 180 mg Stickoxide ausstoßen darf. Die Einhaltung dieser Höchstgrenze wurde von Käufer und Verkäufer ausdrücklich vereinbart und war auch ein wesentliches Motiv des Käufers für den Erwerb des Fahrzeugs.
Im Juni 2016 wurde der Kläger von der Audi AG informiert, dass eine illegale Software im Wagen verbaut sei, die dafür sorge, dass in Fällen einer Kontrolle der Abgaswerte eine weitaus geringere Menge an Stickoxiden entstehe, als beim normalen Fahrbetrieb.
Diese Software war flächendeckend mit dem Wissen und Wollen der Audi AG verbaut worden, um höhere Kaufanreize für diese Fahrzeuge zu schaffen.
Von dieser Manipulation haben weder Käufer noch Verkäufer vor dem Informationsschreiben im Juni 2016 gewusst.
Nach Eingang des Schreibens hat der Kläger gegenüber dem Verkäufer sogleich die Anfechtung des Vertrages und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, da er sich von der Herstellerfirma und damit auch vom Verkäufer betrogen fühle. Schließlich habe der Verkäufer in seinen Verkaufsräumen Verkaufsprospekte der Audi AG ausgelegt, in denen unter anderem mit der Einhaltung der Emissionsgrenzen geworben worden sei, so dass er sich das betrügerische Verhalten der AG zurechnen lassen müsse.
Der Verkäufer hat dieses Ansinnen abgelehnt. Er sei als unabhängiger Kfz Händler von der Audi AG lediglich mit dem dann weiterverkauften Audi A3 TDI beliefert worden. Im Übrigen könne der Fehler mit einem rund einstündigen Softwareupdate zum Preis von 100 € behoben werden.
Das OLG München hat das Rückzahlungsbegehren des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens zurückgewiesen.
Autohändler muss sich Täuschung nicht zurechnen lassen
Nach Auffassung des Gerichts lagen die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB nicht vor. Zwar sei im Hinblick auf die Angaben in dem Verkaufsprospekt tatsächlich von einer widerrechtlichen Täuschung bezüglich der Höhe des Stickoxidausstoßes während des Fahrbetriebs auszugehen. Da der Audi AG diese Täuschung bewusst war, lag auch die erforderliche Arglist vor.
Allerdings hat vorliegend nicht der Verkäufer getäuscht, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Übergabe des Wagens nichts von der verwendeten „Schummelsoftware“ wusste. Täuschungen Dritter, muss sich der Verkäufer jedoch gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 BGB nur zurechnen lassen, wenn er von der Täuschung Kenntnis hatte oder haben musste.
Entscheidend war daher, ob die Audi AG als „Dritte“ im Sinne der Vorschrift anzusehen war. Dies wurde von dem Gericht bejaht, da der Verkäufer und die Herstellerfirma selbständige rechtliche Personen mit jeweils eigenständigen Pflichtenkreis seien.
Eine Anfechtung des Vertrages musste daher ausscheiden.
Fristsetzung zur Mängelbeseitigung erforderlich
Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht München auch die Voraussetzungen eines Rücktritts vom Kaufvertrag verneint.
Zwar lag ein Sachmangel vor, da das Fahrzeug im Hinblick auf den Stickoxidausstoß zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht die vereinbarte Beschaffenheit hatte. Allerdings setzt ein Rücktritt grundsätzlich gemäß § 323 Abs. 1 BGB die Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung voraus. Daran fehlt es vorliegend.
Nach Auffassung des Gerichtes war die Setzung einer solchen Frist auch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit gemäß § 440 S. 1 Alt. 3 BGB nicht entbehrlich. Schließlich stand nach Auffassung des Oberlandesgerichts einem Rücktritt vom Kaufvertrag auch entgegen, dass der Mangel der Kaufsache gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB als unerheblich anzusehen sei. Hiervon wird, wenn der Mangel behebbar und die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind.
Dies wurde im vorliegenden Fall, in dem die Beseitigung Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern würde, angenommen.
Zusammenfassung:
- Ein Autohersteller ist dann „Dritter“ im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB, wenn ein Händler, der einen Wagen mit manipulierter Software verkauft, weder in die Konzernstruktur des Herstellers eingebunden ist, noch sonst irgendwelche Beteiligungsverhältnisse bestehen.
- Ein Gebrauchtwagen, der über das Abgaskonzept EU 5 verfügen soll, ist mangelhaft, wenn er vom „Abgasskandal“ betroffen ist und somit diese Norm nicht erfüllt.
- Der Rücktritt vom Kaufvertrag gesetzt auch in diesem Fall grundsätzlich voraus, dass der Käufer den Verkäufer nach § 323 Abs. 1 BGB erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung setzt.
- Ein Rücktritt ist indes wegen Unerheblichkeit des Mangels gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Mangel behebt war und die Kosten seiner Beseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind.